Eine kleine Übersicht über meine persönlichen Lieblingsalben des Jahres 2012. Wie immer gilt auch in diesem Jahr: Das Album muß nicht zwangsläufig im letzten Jahr veröffentlicht worden sein; als Kriterium gilt ausschließlich die persönliche Entdeckung der entsprechenden Platte in 2012. Es kann sich also durchaus um ein Album aus dem Jahre 1695 handeln…
John K. Samson — Provincial /// John Kristjan Samson dürfte den meisten als Sänger der famosen Weakerthans bekannt sein. Neben der Tätigkeit in seiner Hauptband ist er seit Jahren auch solo aktiv. Mit Provincial hat er es dann auch tatsächlich zum ersten Soloalbum geschafft. Provincial ist sowas wie eine Rundreise durch seine kanadische Heimat. Wer die Weakerthans liebt, ist mit dieser Platte sehr gut beraten, denn die Ähnlichkeiten zum Sound der Hauptband sind unüberhörbar. Ein bisschen reduzierter eben, aber dennoch sehr schön, komplex und fantastisch arrangiert. Beste Momente: Das hymnenhafte Longitudinal Centre.
Fucked Up — David Comes To Life /// Fucked Up sind sowas wie die nerdigen Musterschüler des Punkrock. Während ihre Hardcore-Klassenkameraden sich damit begnügten, mit drei Akkorden, Phrasen und geballten Fäusten zu jonglieren, trainierten Fucked Up lieber Klampfe und Geist. Gefühlte 300 Singles auf obskuren Minilabels, die Vertonung der chinesischen Tierkreiszeichen in Überlänge und der brimborische Vorgänger „The Chemistry Of Common Life“ ließen nicht ansatzweise erahnen, wohin die Reise gehen würde. Fucked Up wagten alles. Und sie schafften alles. Eine 80-minütige Rockoper über einen englischen Fabrikarbeiter hätte ganz sicher niemand erwartet. „David Comes To Life“ ist allerfeinstes Kopfkino. „Hello my name is David, your name is Veronica, let’s be together, let’s fall in love.“ Beste Momente: Viele. Besonders die Ouvertüre und der anschließende Start mit Queen Of Hearts.
We Are Augustines — Rise Ye Sunken Ships /// Rise Ye Sunken Ships ist ein superbes Rock’n’Roll Album mit einer Riesenportion Herzblut und Leidenschaft. Durchzogen von einem ständigen Auf und Ab, hilflos und ermunternd, jedoch niemals weinerlich depressiv, schippert das Album der drei Herren durch die raue See amerikanischer Befindlichkeiten und erinnert mich damit an die ganz alten R.E.M. oder auch die Counting Crows. Beste Momente: Philadelphia (The City of Brotherly Love)
The Wedding Present — Valentina /// David Gedges Ausflüge mit Cinerama oder den jüngeren Wedding Present-Alben wie El Rey konnten mich nicht wirklich mitreißen. Doch jetzt ist der Zuckerpop wieder dem Rock gewichen, oder wird vielmehr perfekt von ihm ergänzt. Valentina ist ein durchwegs rundes Album, das textlich und musikalisch überzeugt und mit einer nahezu perfekten Produktion aufwartet. An die frische Ausdruckskraft von George Best oder Bizarro kommt es dennoch nicht heran. Aber es wären ja auch nicht The Wedding Present, wenn sich plötzlich alle einig wären. Beste Momente: He’s Tarzan and you’re Jane … don’t come crying to me!
Digger Barnes — Every Story True /// Staubige Landstraßen, verlassene Tankstellen, nächtliche Autofahrten, stetige Unruhe und das Verlangen zu Reisen: Das sind die vorherrschenden Themen von Digger Barnes aus Hamburg und er liefert auf seinem zweiten Album den perfekten Soundtrack dazu. Immer schön zurückgelehnt, nie hektisch agierend, fährt der Hamburger vor allem mit Gitarre, Banjo und Besenschlagzeug durch neun relaxte Americana-Songs, die ihre Stärke vor allem durch Reduziertheit und Abwesenheit von überfälligem Füllmaterial entwickeln. Beste Momente: Das Album wirkt wie aus einem Guß, Pure As Gold ist großes Kino.
Tiny Ghosts — Another Poison Wine /// Die Tiny Ghosts sind wahrscheinlich die mit größtem Unrecht unbekannteste Band des Landes. Muß wahrscheinlich an der fehlenden Werbung und dem fehlenden großen Label liegen. An den Songs jedenfalls liegt’s auf keinen Fall, denn die Lieder auf Another Poison Wine sind ganz große Kunst. Alternative- oder College Rock, irgendwo zwischen The Cure, alten R.E.M., den Lemonheads und Hüsker Dü. In einer gerechteren Welt würden die Tiny Ghosts in Dauerrotation auf radioeins laufen und die vorderen Plätze in allen Indie-Charts belegen. Wobei ich jetzt gar nicht genau weiß, ob mir das so recht wäre… 😉 Beste Momente: Auf Birdland wäre Peter Buck stolz.
Y’akoto — Babyblues /// Vorab sei gesagt, daß ich keinerlei fundamentierte Kenntnisse im Genre Soul besitze. Auch sind meine Tonträger in diesem Bereich arg begrenzt und doch schafft es ab und an jemand, sich in meiner Seelensammlung einzureihen.
Als Tochter eines Ghanaers und einer Deutschen wurde Jennifer Yaa Akoto Kieck von klein auf zur Kosmopolitin erzogen. Geboren in Hamburg, aufgewachsen in Ghana und mit Zwischenstopps in Kamerun, Togo und dem Tschad, ist die gute Frau mittlerweile wieder in Hamburg und Paris gelandet. Diese Weltläufigkeit hört man ihrem Debütalbum Babyblues allerdings nicht an, was ein Kompliment ist. Denn statt kosmopolitischer Beliebigkeit höre ich hier besten Oldschool-Soul im Newschool-Gewand. Die Songs sind durch die Bank weg zwar eingängig, allerdings trotzdem anspruchsvoll, komplex arrangiert und fantastisch produziert. Außerdem ist Frau Y’akoto mit einer göttlichen Stimme gesegnet. Beste Momente: Der Abgesang auf eine verflossene Liebe in Babyblues.
Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen — Postsexuell /// Über diese Band hab ich schon soviele Worte verloren, daß ich es kurz machen möchte: Wavepunkbeatwhatever mit hervorragenden Texten. Haarscharf auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Tut ein gutes Werk und kauft euch das Album! Beste Momente: Das unfaßbare Leb so, daß es alle wissen wollen und das nicht minder exzellente und schrecklich traurige Hallo, Leben, Aus.
Das soll’s auch schon gewesen sein. Für sachdienliche Hinweise sind wie immer Kommentare sehr gern gesehen!