Review

Die Aeronauten – Hits! Vol. 1

 „Hits Vol. 1“ ist die erste kar­ri­ereüber­greifende Com­pi­la­tion der Aero­naut­en. 24 Hits aus den Jahren 1993 — 2020, des­til­liert aus 10 reg­ulären Alben und ein­er Maxi und wenn wir “Hits“ aufs Cov­er schreiben, sind auch Hits drauf: ‘Schuldigung‘, ‘Schnee‘, ‘Fre­undin‘, ‘Patates‘, ‘1 bis 10‘, ‘Coun­try­musik‘, ‘Ich wollt ich wär tot, Bet­ti­na‘ uvm. 

24 Hits von den inzwis­chen nahezu ver­grif­f­e­nen ersten Alben bis hin zum let­zten Album von 2020. Unfass­bar, wie gut diese Band war. Die Aero­naut­en waren soulig, garagig, pop­pig, non­cha­lant und schlau. Sie hat­ten Trompe­ten und Posaunen und mit Olifr Guz Mau­r­mann einen der besten Tex­ter und Sänger aller Zeit­en. “Hits! Vol. 1“ wird für Einsteiger*innen eine Erleuch­tung und für Kenner*innen eine Bestä­ti­gung sein. Was für eine grandiose Band! 

 Klingt abge­droschen, fast gel­o­gen, ist aber so: Die Aero­naut­en haben keine schlechte Plat­te veröf­fentlicht, sie haben sog­ar nur exzel­lente Plat­ten gemacht, und sie haben Songs für die Ewigkeit aufgenom­men und das im dreis­tel­li­gen Bere­ich. Da kann man sich vorstellen, dass eine “Best Of Aeronauten“-Compilation nicht über Nacht zusam­mengestellt wird, da brüteten Experten*innen Monate drüber. Hier nun das Ergeb­nis: “Hits! Vol. 1!“ 

Mitte der 90er tauchte in Ham­burg eine kleine CD auf und jed­er wollte sie haben: ‘Ich wollt ich wäre tot, Bet­ti­na‘ von den Aero­naut­en – erschienen auf dem kleinen Label Tom Pro­dukt. „Wie heißen die? Woher kom­men die? Aus Schaffhausen?“ Die CD war im Plat­ten­laden schw­er zu bekom­men und so wan­derte sie von Hand zu Hand, von Tapedeck zu Tapedeck und ein magis­ches Tor tat sich auf: Das Tor zur Welt der Aero­naut­en; und wenig später mate­ri­al­isierten sich die Aero­naut­en und trat­en im Pudel auf. Die Aero­naut­en klan­gen so wie fast jed­er und jede, die damals in Ham­burg Musik macht­en, zumin­d­est ins- geheim klin­gen woll­ten, behaupte ich ein­fach mal. Große Songs, die dabei so leicht wirken, wie aus dem Ärmel geschüt­telt, so der­maßen auf den Punkt. Texte und Musik, die auch unab­hängig voneinan­der funk­tion­ieren kön­nten, aber zusam­men nicht von dieser Welt sind. Wenn man mag, kann man die Bezüge und Zitate der Aero­naut­en her­aus­fil­tern: von North­ern und South­ern Soul über Dis­co, Pub­rock, Dick Dale und Wild Bil­ly Child­ish zu Enri­co Mor­ri­cone – muss man aber nicht, die Aero­naut­en hat­ten ihren eige­nen Style. Die Vor­bilder waren in ihrer DNA und würde es diese nicht geben, ich bin ich mir sich­er, die Band würde trotz­dem so klin­gen. Ich fand immer, dass der Sound der Aero­naut­en die Ligne Claire über­set­zt in Musik ist …schwafel, rafafel. Guz hätte bei solchen Sätzen ver­mut­lich spöt­tisch die Braue hochge­zo­gen und so was gesagt wie „Ach, find­est Du, ja?“ Bess­er beschreibt Rocko Scha­moni im Book­let zu “Hits! Vol. 1“ die Aero­naut­en und ihr Werk: „‘Früh / Spät‘, ‘Schuldigung‘, ‘Patates‘, ‘Schnee‘, ‘1 bis 10‘, ‘Fin­ger‘ und diverse andere sind für mich Songs von Welt­niveau, ich höre sie mit genau so viel Freude und Ehrfurcht wie z.B. die Songs von Cae­tano Veloso und Adri­ano Celen­tano.“ Guz selb­st hat es mal in einem Inter­view sin­ngemäß so aus­ge­drückt: „Schublade auf: Wir machen Pop­musik. So ein­fach ist das.“ So ein­fach ist es lei­der nicht, son­st würde es ja jed­er machen. 

Die Aeronauten – Hits! Vol. 1 Kommentare...

, , , ,

The Smith Street Band –
Don’t Waste Your Anger

© Foto: Booking Stars Ltd.


Lange drauf gewartet und nun seit gestern endlich als echte gute alte analoge Anfassver­sion im Haus: The Smith Street BandDon’t Waste Your Anger. Ich hat­te das Album vor­ab wegen dem Coro­na-Tam­tam und den damit ver­bun­de­nen Pro­duk­tion­ss­chwierigkeit­en schon dig­i­tal gekauft.

Nun also das mit­tler­weile fün­fte Album der Aus­tralier. Die Beset­zung hat in Teilen gewech­selt, Jess Locke, Lucy Wil­son und Matt Bodi­am sind neu dabei. Mit Neube­set­zun­gen ist das ja immer so eine Sache, vor allem, wenn gle­ich drei neue Leute am Start sind. Dies­bezüglich kann ich Ent­war­nung geben, die Neuzugänge sind eine echte Bere­icherung. Dazu gle­ich mehr.

Die ersten Durch­läufe hin­ter­ließen bei mir einen guten, aber (noch) keinen großar­ti­gen Ein­druck. Das hat sich nach dem fün­ften Durch­lauf geän­dert und ist oft so bei mir: Die wahrhaft großar­ti­gen Plat­ten brauchen ein Weilchen bis sie zün­den. Das liegt entwed­er an mir oder ist ein Zeichen für sehr gutes Songwriting.

Don’t Waste Your Anger weiß von der ersten bis zur let­zten Minute zu begeis­tern und krankt dabei nicht an ein­er beschisse­nen Pro­duk­tion wie der Vorgänger More Scared Of You Than You Are Of Me, der von Jeff Rosen­stock völ­lig ver­hun­zt gemixt und zudem auch noch mis­er­abel gepresst wurde.

Los geht’s mit dem pathetis­chen God Is Dead, das sich band­typ­isch in ein drama­tisch-wildes emo­tionales Tohuwabo­hu steigert und schlussendlich wie ein ausufer­n­des Fluss­delta in den Ozean mün­det. Gänse­haut garantiert. Es war viel los im Hause Wag­n­er, das merkt man dem Text an. Wer Social Media nutzt, wird die Geschicht­en um Geor­gia McDon­ald und Wil Wag­n­er ja ver­fol­gt haben. Ich werde an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen.

An drit­ter Stelle wartet schon der Über­hit I Still Dream About You, eine emop­unkige Rock­gara­gen­num­mer, wie sie nur die Jungs um Wil Wag­n­er schreiben kön­nen. Großar­tiger Song.

Auch son­st ist das Album an Hits wahrlich nicht arm. The End Of The World, Prof­i­teer­ing und Heav­en Eleven seien hier stel­lvertre­tend genannt.

An vie­len Stellen sin­gen die bei­den Damen im Back­ground mit, was den Songs sehr gut tut und für das Album eine echte Bere­icherung darstellt.

Am Ende gibt’s dann nochmal das Pathos vom Anfang: Don’t Waste Your Anger ist ein ähn­lich drama­tisch-pathetis­ches Werk wie God Is Dead; erre­icht dabei aber nicht ganz dessen Tiefe. Das allerd­ings ist Meck­ern auf ganz hohem Niveau, denn mit Don’t Waste Your Anger haben The Smith Street Band wieder ein großar­tiges Meis­ter­w­erk abgeliefert. Für mich auf ähn­lichem Niveau wie Throw Me In The Riv­er aus 2014 und einen Deut bess­er als das Vorgänger­w­erk More Scared Of You Than You Are Of Me aus dem Jahr 2017.

Die Pressqual­ität ist solide, ich kon­nte von ein­er leicht­en Wöl­bung abge­se­hen nichts neg­a­tives fest­stellen. Die Plat­te gibt es in diversen Far­ben, z. B. grünes Vinyl bei Kings Road Merch.

Kaufen, lieben, gänsehauten! 

[table id=3 /]

The Smith Street Band –
Don’t Waste Your Anger
Kommentare...

, , ,

[Review] The Everettes – s/t

Das die seli­gen Floorettes nicht mehr existieren, hab ich erst durch das Pro­moschreiben von Alex‘ Water­fall Records erfahren. Schade, schade, denn ihr „Pock­et Full Of Soul“ aus dem Jahr 2011 drehte so einige Run­den auf meinem Plat­ten­teller. Der Ver­lust ist aber ver­schmerzbar, sind fünf Band­mit­glieder doch jet­zt ver­stärkt durch zwei zusät­zliche Sän­gerin­nen unter dem Namen The Everettes unter­wegs. Außer­dem sind die Songs im Ver­gle­ich zu denen der Flo­rettes erwach­sen­er und run­der geworden.

Ihr gle­ich­namiges Debü­tal­bum ist am 29. Mai erschienen. The Everettes wis­sen durch eine mitreißende Mis­chung aus (North­ern) Soul, Stax und Pop zu begeis­tern. Das her­vor­ra­gend und stim­mig instru­men­tierte The Everettes überzeugt mit Har­moniegesän­gen und frischy freshy Bläser­sätzen, die dur­chaus an die Dap­tones, die Begleit­band von Sharon Jones (und Stu­dioband von Amy Wine­house) erinnern.

Außer­dem bemerkenswert: Die Vinyl-Press­ing klingt her­vor­ra­gend und ist exzel­lent ver­ar­beit­et. Ein Fakt, der in Zeit­en wie diesen nicht unbe­d­ingt voraus­ge­set­zt wer­den kann.

Klare Kaufempfehlung für alle, die mit 60s-Pop, dem Motown-Sound oder (Neo-)Soul etwas anfan­gen kön­nen. Feine Platte!

The Everettes ist am 29. Mai 2020 auf Water­fall Records erschienen und wird von Bro­ken Silence vertrieben.

[Review] The Everettes – s/t Kommentare...

, ,

[Review] Iris Romen – Late Bloomer

Hin und wieder bekomme ich E‑Mails mit Reviewan­fra­gen, denen ich allerd­ings äußerst sel­ten nachkomme. Oft kann ich mit der Musik nichts anfan­gen oder das Genre inter­essiert mich schlichtweg nicht.

Im jüng­sten Fall ist Alex von Water­fall Records an mich herange­treten, und in diesem Falle ver­liere ich gerne ein paar Worte, hat der gute Alex doch nicht wie üblich dig­i­tales Pro­mogedöns versendet, son­dern mir eine echte LP zukom­men lassen. Noch dazu eine, die mir sehr gut gefällt.

Die Nieder­län­derin Iris Romen tritt seit fast 10 Jahren regelmäßig sowohl solo als auch mit Bands auf und spielt zu ihrem Lead­ge­sang noch Kon­tra­bass, Fend­er Rhodes und eine Fra­mus-Gitarre aus den 50er Jahren. Sie war außer­dem 10 Jahre lang Kon­tra­bassistin der All-Girl-Coun­try-Band The Run­away Brides, sang mit Ihrer „Ballhaus“-Band viel­mals zum Schwoof in Lokalen wie Clärchens Ball­haus, ist Sän­gerin und Kon­tra­bassistin in ihrem eige­nen Bertolt-Brecht-Pro­jekt (Brecht Fes­ti­val Augs­burg, Kurt Weil Fest Dessau), war 13 Jahre lang Sän­gerin in vie­len Konz­erthäusern mit Andrej Hermlin’s Swing­Dance Band, mehrmals Gast­sän­gerin der Big Band der Deutschen Oper und spielte zahlre­iche Solo- und Ban­dauftritte im In- und Ausland.

Eine ein­drucksvolle Vita also, die sie jet­zt mit ihrem zweit­en Album krönt.

Late Bloomer ist ein entspan­ntes Stück Musik, das sehr gut als – das ist nicht abschätzig gemeint – Neben­beiberieselung, als auch als hörenswertes Stück Musik in Album­form funktioniert.

Die Selb­st-Klas­si­fizierung in der Coun­try-Sparte hat mich etwas irri­tiert, ich würde Iris Romen eher in die Ecke Singer/­Song­writer-Vin­tage Pop schieben. Sparsam instru­men­tiert, weit­er­führend ange­siedelt irgend­wo zwis­chen Blues, Jazz und meinetwe­gen etwas Coun­try, gelingt der Sän­gerin die hohe Kun­st, bei sehr zurück­hal­tender Instru­men­tierung den­noch ein inter­es­santes Musik­er­leb­nis zu schaffen.

Der einzige deutschsprachige Titel Film­riss sticht aus dem Album her­aus. Ich hätte nichts gegen weit­ere Titel auf Deutsch gehabt.

Mit Late Bloomer gelingt es der Kün­st­lerin, einen per­fek­ten Sound­track für einen Son­ntag­mor­gen zu schaf­fen. Pop­musik für Erwach­sene gewis­ser­maßen; oder Pop­musik für Men­schen, die Pop­musik nicht für ein Schimpf­wort halten.

Late Bloomer erscheint am 26. Juni 2020 auf Water­fall Records und wird von Bro­ken Silence vertrieben.

[Review] Iris Romen – Late Bloomer Kommentare...

, , ,

Er ist kein Hund an der Kette

Selb­st wenn man den Kün­stler von sein­er Kun­st tren­nt, bleibt vom neuen Mor­ris­sey-Album „I Am Not A Dog On A Chain“ kein pos­i­tives Faz­it übrig. Eine merk­würdig unaus­ge­gorene Mis­chung aus Songs ist ent­standen; mit Tex­ten, die weit weit weit von Mor­ris­seys Top­form gele­gen sind. Das ganze ist recht überkan­didelt pro­duziert, klingt wie schon Low In High School (dessen B‑Seite ich übri­gens für die schlecht­este B‑Seite eines Albums seit 1928 halte!) sehr syn­thethisch und pathetisch. Weit weg vom Glanz der alten Tage. Leider!

[table id=2 /]

Er ist kein Hund an der Kette Kommentare...

, , ,

Mike Ständer Band

Der Markt an guter, deutschsprachiger Indiemusik ist für mich per­sön­lich wie leerge­fegt. Ab und an trifft man dann doch nochmal auf richtig gute — außergewöhn­lich gute — und mitreißende Musik. Jüng­stes Beispiel sind neben Rong Kong Koma (Rezen­sion zum Debü­tal­bum fol­gt nach Erscheinen) die bei­den Her­ren um die Mike Stän­der Band aus Zürich. Ich habe die Rezen­sion zum Album Laut und deut­lich im let­zten Ox ent­deckt, reinge­hört und war gle­ich sehr angetan.

„Mike Stän­der Band ist die natür­liche Reak­tion auf die musikalis­che Weich­spülung und textlich/inhaltliche Ver­voll­dum­mung der zeit­genös­sis­chen, kom­merziellen, akustis­chen Luftver­schmutzung. Mit Ihrer Rudi­men­tärbe­set­zung (Schlagzeug, Bass, Trompete, Gesang) ver­lei­ht das Punk-Duo „MSB“ ihren poet­isch-kri­tisch-komis­chen Tex­ten den nöti­gen Druck um beim Hör­er nicht nur das Herz son­dern im Beson­deren das Hirn anzuzün­den. Man kann sie mit Blu­men oder mit Flaschen bew­er­fen, aber man sollte sie vor allen Din­gen ken­nen.“ heißt es in den Weit­en des Inter­nets, und das trifft es sehr sehr gut.

Hört mal rein, ich bin begeistert!

Die Band auf Band­camp.

Mike Ständer Band Kommentare...

, ,

Fucked Up – Dose Your Dreams (Kurzkritik)

 

Schon seit län­gerem ver­folge ich das Schaf­fen der kanadis­chen Band Fucked Up mit großem Inter­esse. Eingestiegen und aufmerk­sam gewor­den bin ich spät – näm­lich erst mit dem Video zum ful­mi­nan­ten „Queen Of Hearts“ vom Album „David Comes To Life“.

Das Album habe ich danach ken­nen und lieben gel­ernt und dieser Tage stand nun jüngst die Veröf­fentlichung von „Dose Your Dreams“ an; dem mit­tler­weile unge­fähr neun­ten Stu­dioal­bum der Band.

Die Vor­ab-Sin­gle „Nor­mal Peo­ple“ fand ich schon äußerst vielver­sprechend, vielle­icht ger­ade deshalb, weil sie mit dem gewöhn­liche Schema und Image der Band als Vertreter des Hard­core nicht mehr viel zu tun hatte.

Fucked Up sind inzwis­chen Genre-spren­gende Meis­ter der Abwech­slung, davon zeugt „Dose Your Dreams“ zu genüge. Es gibt Shoegaze, Funk, Dis­co, Psych- und Avant­garde-Rock und sog­ar ein bißchen harten tech­noiden Beat à la The Prodigy.

Das Album ist kein Meilen­stein, aber in seinem Abwech­slungsre­ich­tum höchst unter­halt­sam und mehr als gelun­gen. Mein Prob­lem mit den älteren Alben war immer, das ich Dami­ans Geschrei unge­fähr 20 Minuten lang geil fand, dann aber gen­ervt war und eine Pause brauchte. Das ist bei diesem Album nicht der Fall. Kaufempfehlung!

Fucked Up – Dose Your Dreams (Kurzkritik) Kommentare...

, , ,

Propagandhi – Victory Lap

Pro­pa­gand­hi spie­len seit Jahren im Punk/Hardcore dank dem unfass­baren Song­writ­ing in ein­er eige­nen Liga. Da wartet man auch gerne 5 Jahre auf ein Album. „Vic­to­ry Lap“ ist eine fan­tastis­che Plat­te gewor­den. Todd Kowal­s­ki der ja schon auf den let­zten Alben einige Songs als Lead­sänger beis­teuerte, ver­ar­beit­ete die Trauer um seinen Vater in „When All Your Fears Col­lide” und dem über­ra­gen­den „Nigre­do“ — let­zter­er definitv eines der Höhep­unk­te des Albums. Die Songs des neuen Albums sind fast durchgängig schnell und rock­ig allerd­ings wird das Gaspedal etwas weniger druchge­treten als noch auf „Failed States“. Man set­zt wieder auf etwas eingängigere Melo­di­en. Das sehr trashig begin­nende „Low­er Order (A Good Laugh)“ oder „Cop Just Of Frame“ sind ein gutes Beispiel dafür.

Die Songs sind teil­weise recht kom­plex, was das Album auch für die näch­sten Wochen und Monate span­nend machen wird — man wird immer wieder neue Dinge darauf ent­deck­en. Wer­tung: 9/10 Bördekartoffeln!

Propagandhi – Victory Lap Kommentare...

, , ,

Morrissey und „Low In High School“ … der November gebar ein Monster

Der Novem­ber brachte ein Mon­ster her­vor und sein Name ist „Low In High School“. 5 gute Songs und 7 viel weniger gute – darauf läßt sich das neue Mor­ris­sey-Album wun­der­bar herun­ter­brechen. Ich wußte nach den ersten Durch­läufen nicht mehr, ob ich lieber in Trä­nen aus­brechen oder kopf­schüt­tel­nd die Dorf­s­traße herun­ter­laufen sollte. Dazu das jet­zt schon „leg­endäre“ Inter­view im SPIEGEL von let­zter Woche; es fällt in Zeit­en wie diesen nicht leicht, nicht am Meis­ter zu zweifeln. Aber seine ganzen kru­den Aus­sagen zum Welt­geschehen mal außen vor gelassen – wir wid­men uns den Songs in der Einzelkri­tik, ver­lieren einige Worte zum Album all­ge­mein und schließen mit den tech­nis­chen Details. Los geht’s:

© Ein Scheiß­fo­to, aber ich hat­te ger­ade nichts besseres…

My Love, I’d Do Any­thing for You
Ein bre­it­beinig rock­ender, maß­los aufgepimpter Krawall­brock­en zum Auf­takt. Da wollte jemand viel, für meinen Geschmack ein bißchen zuviel. Erin­nert an die Eröff­nung auf „Years Of Refusal“, die mit „Some­thing Is Squeez­ing My Skull“ ähn­lich rabi­at aus­fiel. Die ersten Zeilen des Albums laut­en also „Teach your kids to rec­og­nize and despise all the pro­pa­gan­da, fil­tered down by the dead ech­e­lons main­stream media“. Ich bin ja ein großer Fre­und des Allesh­in­ter­fra­gens, aber das hier klingt mir dann doch eine Spur zu sehr nach „Lügen­presse“. Da war der Meis­ter früher weniger ein­deutig und ließ immer Raum für Inter­pre­ta­tio­nen. Hier klingt’s textlich genau­so krawal­lig wie es das musikalisch tut. 6/10

I Wish You Lonely
Schon bess­er, es klingt wieder nach Mor­ris­sey. Viel mehr fällt mir dazu allerd­ings auch nicht ein. 7/10

Jacky’s Only Hap­py When She’s Up on the Stage
Noch bess­er. Mor­ris­sey stre­it­et ja hart­näck­ig ab, das es sich bei diesem Song um eine Analo­gie auf den Brex­it han­delt. Was hanebüchen ist, denn der Zusam­men­hang ist offen­sichtlich; es passt ein­fach alles. Eine schöne Num­mer, weniger brachial als die ersten bei­den, ein­er der Höhep­unk­te des Albums. 8/10

Home Is a Ques­tion Mark
… gle­ich gefol­gt vom absoluten Höhep­unkt des Albums. Ein wun­der­schön­er Song. Allerd­ings klin­gen die Stre­ich­er ein wenig syn­thetisch. Es gibt übri­gens einen übrigge­bliebe­nen Titel aus den Quar­ry-Ses­sions von 2004 und der heißt … taaadaaaaa! … „Home Is A Ques­tion Mark“. Die Song­writer-Cred­its zu dieser Ver­sion ver­weisen allerd­ings auf das aktuelle Band­mit­glied Man­do Lopez statt auf Alain Whyte, der für einen Großteil der Quar­ry-Songs die Co-Writer-Cred­its hält. Ein Schelm, wer Bös­es dabei denkt… bei der Klasse der Num­mer würde es mich nicht wun­dern, wenn sie tat­säch­lich ein Überbleib­sel aus Quar­ry-Zeit­en ist. Nur Alain Whyte wird’s genau wis­sen… 9/10

Spent the Day in Bed
Die Vor­ab-Sin­gle, die mich schon zweifel­nd zurück­ließ. Hier zeigen sich erst­ma­lig die Tin­geltan­gelt­e­den­zen, auf die wir im weit­eren Ver­lauf des Albums noch öfter stoßen wer­den. Früher hätte sich der Text zum Song wie eine schöne Ver­weigerung­shymne gele­sen; in Zeit­en wie diesen klabaustert er schon an der Gren­ze zur ein­gangs erwäh­n­ten Lügen­presse dahin. Musikalisch ganz nett, ganz entspan­nt, tut nicht weit­er weh, ist allerd­ings auch nicht schlecht. Wobei mich die „No Bus, No Boss, No Rain, No Train“-Zeilen in ihrer infan­tilen Bil­li­greimigkeit fürchter­lich an „Ill In Sevill … Gaga In Mala­ga“ aus dem Bull­fight­er auf „World Peace Is None Of Your Busi­ness“ erin­nern. 7/10

I Bury the Living
Die guten Momente des Albums sind hier bere­its vor­bei. Ab jet­zt wird’s wirr. In diesem Song ver­sucht sich Mor­ris­sey an ein­er Nick Cave-schen Vari­ante zum The­ma Mil­i­taris­mus, Krieg, Sol­daten­leben. Bis 5:17 min funk­tion­iert das einiger­maßen, dann kommt der grauen­hafte „It’s fun­ny how the War goes on with­out our John!“-Teil, den ich ein­fach nur schreck­lich finde. 5/10

In Your Lap
Eine unin­spierte Bal­lade zum Ara­bis­chen Früh­ling, vor­ge­tra­gen am alten Klimperklavier von Johannes Heesters. 2/10

The Girl from Tel-Aviv Who Would­n’t Kneel
Ich hat­te nach den ersten live darge­bote­nen neuen Songs den Ein­druck, das Album würde in Rich­tung ChaChaCha-Arab-Pop-Fla­men­co-Welt­musik gehen. Dieser Titel bestätigt meine Ein­schätzung. Erneut furcht­bares Gek­limper auf dem Klavier. 4/10

All the Young Peo­ple Must Fall in Love
Jet­zt sind wir wieder bei den vorhin erwäh­n­ten Tin­geltan­gel­tenden­zen. Ein run­dum miss­lun­gener Song, mit viel Tam­tam, Hand­claps und einem schreck­lichen Refrain. Weil mir der Teil bis zum ersten Cho­rus gefällt, vergebe ich 2/10 Punkte.

When You Open Your Legs
… und weit­er geht’s mit „Song­writ­ing nach Zahlen“, so kommt mir die Ver­anstal­tung hier näm­lich langsam vor. Dieser Song klingt wie die Kopie der Kopie von einem mit­telmäßi­gen Mor­ris­sey-Song – „Song­writ­ing nach Zahlen“ eben. Das ist mir erst­ma­lig bei „Ring­leader Of The Tor­men­tors“ aufge­fall­en, auch dort waren viele Songs nur schlechte Kopi­en von alten Mor­ris­sey-Songs. Kom­plett über­flüs­sige Num­mer. 1/10

Who Will Pro­tect Us from the Police?
Es geht wieder ein wenig aufwärts. Bei den ersten Durch­läufen hat mir dieser Song über­haupt nix gegeben, inzwis­chen ist er einiger­maßen hör­bar. Den­noch will mir partout nicht viel dazu ein­fall­en. 5/10

Israel
Eine run­dum mißlun­gene Schmonzette. Ich habe keine Mei­n­ung zum Kon­flikt zwis­chen Israel und Palästi­na; nur für den Fall, das mir jemand unter­stellen möchte, dass ich den Song deshalb nicht mag. 1/10

Das macht ins­ge­samt nach Adam, dem Riesen, 57 Punk­te; was wiederum in der Gesamtwer­tung 4.75/10 Punk­ten macht. Ein mit­telmäßiges Album. 6 oder 7 Songs als EP hät­ten für mich gere­icht, der Rest ist über­flüs­siges und ent­täuschen­des Füll- und Blendwerk.

Zu den ein­gangs erwäh­n­ten tech­nis­chen Details noch ein paar Anmerkun­gen: Ich habe mir die LP zweimal gekauft. Ein­mal die „lim­i­tierte“ LP in grün und die reg­uläre Pres­sung in trans­par­entem Vinyl. Die Laufzeit beträgt ca. 27 Minuten je Seite, was viel zu lang ist. Bekan­ntlich nimmt die Soundqual­ität von Vinyl ab ein­er Laufzeit von ca. 20 Minuten je Seite (12″, 33 1/3 RPM) drama­tisch ab. So auch bei diesen Pres­sun­gen, die voller Clicks und Pops sind, und außer­dem extrem leise. Auch das ist der Physik und dem auf­grund der über­mäßi­gen Laufzeit gerin­gen Ril­len­ab­stand geschuldet. „Low In High School“ hätte als Dop­pel-LP erscheinen müssen. Ver­gle­icht man die LPs mit der CD-Pres­sung, fällt ein deut­lich druck­voller und bass­lastiger Sound auf let­zter­er auf. Die Auf­machung ist ordentlich: Solides Gate­fold (über das Cov­er­mo­tiv lässt sich tre­f­flich stre­it­en), bedruck­te Innen­hüllen, ins­ge­samt ein schönes Lay­out; auch wenn die Typo sehr nach Ham­burg-Mannheimer Reloaded aussieht. Das Album ist außer­dem in vier weit­eren Far­ben sowie als 7″-Box erschienen. Die habe ich mir allerd­ings ges­part… gut so, denn let­z­tendlich zählt die Musik und nicht das Medium.

Wie es mit Mor­ris­sey weit­erge­ht, ste­ht in den Ster­nen. Ich wün­sche mir irgend­wann nochmal ein richtig gutes Album, mit richtig gutem Song­writ­ing der alten Moz­za-Schule. Ob es jemals soweit kom­men wird, ist im Moment mehr als fraglich. Außer­dem wün­sche ich mir, das sich unsere alte Man­ches­ter-Gurke mit Kom­mentaren zum Welt­geschehen ein wenig zurück­hält und ein­fach das macht, was er am besten kann bzw. kon­nte: Tolle Songs mit tollen Tex­ten schreiben und jene mit seinem einzi­garten Schmelz in der Stimme vor­tra­gen. Ich geh‘ jet­zt Viva Hate, You Are The Quar­ry oder sog­ar Bona Drag hören und erin­nere mich an tollere Zeiten… 😉

Morrissey und „Low In High School“ … der November gebar ein Monster Kommentare...

, , , , ,

Kaltfront – Wenn es dunkel wird (Review)

Meine erste Begeg­nung mit KALTFRONT war das Logo der Band auf einem Arbeitss­chuh. Liest sich komisch, ist aber wahr. 1988 hat­te ein Mit-Beruf­ss­chüler der Beruf­ss­chule „Rudi Arndt“ in Berlin das Kalt­front-Logo auf einen sein­er Schuhe gesprayt. Sah toll aus.

Kalt­front wur­den 1986 in Dres­den gegrün­det und erspiel­ten sich in der DDR-Punkszene einen großen Bekan­ntheits­grad. Nach ein­er Auszeit in den Nach­wen­de­jahren kam es 2005 zur Reunion. Ger­ade ist wieder ein neues Album erschienen, es trägt den Titel „Wenn es dunkel wird“. Kalt­front liefern auch hier wieder ihren gewohnt tollen Wavepunk ab – atmo­sphärisch, dunkel und gut pro­duziert. Der einzige Punkt, der mich ein bißchen stört, sind die vie­len Neuein­spielun­gen alt­bekan­nter Hits. Aber vielle­icht bringt die Zukun­ft der Band mit ver­jüngter Beset­zung ja wieder mehr neue Songs zutage… Den­noch: Run­dum eine empfehlenswerte Plat­te. Eine schöne Rezen­sion – der ich mich vollinhaltlich anschließen kann – gibt es auf bierschinken.net. Vie­len Dank an Stephan von Rundling für die (genutzte) Chance auf eine Testpressung!


Kaltfront – Wenn es dunkel wird (Review) Kommentare...

, , , , , , ,
Nach oben scrollen