Punk

Der singende klingende Adventskalender (9)

Mein erster Kon­takt mit Die Art muß im Jahr 1989 stattge­fun­den haben. Die Band spielte in der Magde­burg­er Hyparschale und nach dem Konz­ert kaufe ich mir für staatliche 35,- Mark der DDR ihre Musikkas­sette Dry. Das Tape lief bei mir in den fol­gen­den Monat­en und Jahren hoch und runter, ich hab’s bis heute. Bere­its vor dem Gig im Jahr 1989 hat­te ich postal­is­chen Kon­takt zu Sänger Makar­ios – so lief das damals ohne Tele­fon und Inter­net. Auch mit Tat­jana von Die Fir­ma habe ich zwei, drei Briefe aus­ge­tauscht. Das es im West­en nicht anders lief, zeigt dieser schöne Ein­trag auf Some­thing I learned today. Inklu­sive hand­schriftlich­er Antwort von Bela B. Sehr schön.

Doch zurück zu Die Art. Ihr let­ztes reg­uläres Album aus dem Jahr 2014 ist nach mehreren „So-lala-Alben“ wieder sehr gut ger­at­en. Wir hören Love Shin­er:


Im Jahr des Drachen

Ich bin ger­ade schw­er auf einem Fucked Up-Trip. Ins­beson­dere die Zodi­ac-Serie hat es mir ange­tan. Die diversen Songs, verteilt auf diverse 12- und 7‑inches hin­ter­lassen mich eben­so ver­stört wie begeis­tert zurück. Epis­che Meis­ter­w­erke von 8 bis 20 Minuten mit jed­er Menge Tem­pi­wech­seln, schw­erem Progrock-Ein­schlag und viel Melodie. Das alte Laut-/Leise-Spiel, bekan­nt und zur Per­fek­tion getrieben auch von Bands wie den Pix­ies oder Nir­vana. Sollte man mal gehört haben:


North Alone

Der Nor­den allein!


Mal wieder was aus der Kat­e­gorie „Ken­nt keine Sau“. North Alone machen sehr guten Folkpunk, der jede Menge Gaslicht Hym­nen inhaliert hat. Auf der Haben­seite ste­hen die gelun­gene Inte­gra­tion der Fiedel, ein paar wirk­lich mitreißende Songs, ein über­durch­schnit­tlich gutes Album und ein Sänger, der nach viel Zigaret­ten klingt und nach ein wenig Heinz Rudolf Kun­ze aussieht. Auf der Soll­seite ste­hen die doch eher ein­fach gehal­te­nen Lyrics; was für mich per­sön­lich mit meinem DDR-Schu­lenglisch wiederum doch eher von Vorteil ist, ver­ste­he ich doch jedes Wort. 😉 Und vom Spon­sor­ing (Lee Jeans) kann man auch hal­ten was man will… Den­noch: Straßen­bauar­beit­er mit Sinn für Roman­tik, Lager­feuer und Mobil­ität soll­ten das Album unbe­d­ingt antesten!

8/10 Richters auf der nach obe­nen offe­nen Richterskala


Kaltfront / Crazy Horst

Wer sich in der sub­kul­turellen Musik­szene der krepieren­den DDR bewegte, kam an Kalt­front kaum vor­bei. Die Band aus Dres­den existierte von 1986 bis 1990 und später wieder ab 2005. Kalt­front hat­ten einen enor­men Out­put an Kas­set­ten (aka „Tapes“), dem einzi­gen ver­läßlichen — wenn auch teuren — Medi­um in der DDR. Auf Rundling ist dieser Tage eine Com­pi­la­tion namens „Hol­i­day im Nie­mand­s­land“ erschienen, die enige Auf­nah­men aus der Zeit von 1987 bis 1990 ver­sam­melt. Kalt­front haben mir von den soge­nan­nten „anderen Bands“ immer beson­ders gefall­en, kom­binierten sie doch intel­li­gente Texte mit tollen Melo­di­en. Auch waren sie weit vom auch in der DDR ver­bre­it­en Rotz- und Schram­melpunk ent­fer­nt. Die Com­pi­la­tion kann ich wärm­stens empfehlen, sie ist unter anderem auch bei F13 erhältlich.

Passend dazu hat Rundling das alte 91er-Tape von Crazy Horst wiederveröf­fentlicht. Crazy Horst war ein Spaßpro­jekt aus Kalt­front- und Para­noia-Mit­gliedern. Man covert sich auss­chließlich durch Songs von Neil Young und tut dies mit ein­er sehr lei­den­schaftlichen Garage Punk-Attitüde. Stellt sich die Frage, wer Crazy Horse braucht, wenn er Crazy Horst haben kann… Die Plat­te erschien in Klein­au­flage im von 100 Exem­plaren in 100% DIY-Art­work und ist beina­he ausverkauft. Wer eine haben will, sollte also nicht zulange warten…


F4Rekord

Mach­mal – mit den Jahren immer öfter – gehe ich fremd und höre statt men­schen­ver­ach­t­en­der Unter­grund­musik immer öfter Pop, Soul, Beat und sog­ar HipHop. Beziehungsweise eine pop­pige Vari­ante von HipHop, näm­lich Die Fan­tastis­chen Vier. Das let­zte Album Reko­rd ist wieder sehr gut ger­at­en. Was mich neben den boli­den Beats am meis­ten anmacht, sind die her­vor­ra­gen­den Texte der schwäbis­chen Tanzkapelle, hier seien als Anspieltipps „Heute“, „Laß sehen“ oder „Das Spiel ist aus“ genan­nt. Große Wortkun­st! Rein­hören lohnt sich!



flüstern & SCHREIEN/Schräge Zeit

flüstern & SCHREIEN läuft mal wieder im Fernse­hen — näm­lich am morgi­gen Dien­stag, ab 20.15 auf zdfkul­tur.

„Dieter Schu­mann und Jochen Wisotz­ki begleit­eten Bands wie „Sil­ly“, „Feel­ing B“, „Chicoree“ und „Sandow“ auf ihren Tourneen durch die DDR. Die Under­ground-Grup­pen sind im Konz­ert zu sehen, im Kon­takt mit ihrem Pub­likum. Im Gespräch mit den Fans erfährt Schu­mann von ihren Sehn­sücht­en, sich ohne Ein­schränkun­gen klei­den und bewe­gen zu dür­fen, zu wider­sprechen und nicht gle­ich als staats­feindlich abgestem­pelt zu wer­den, nur weil man an die Stelle von Arbeit und poli­tis­ch­er Organ­i­sa­tion andere Inter­essen stellt.

Rock­musik als Rebel­lion gegen ein eingeengtes Leben, abseits von FDJ-Liedern und blauen Blusen. Bis heute hat der Doku­men­tarfilm „Flüstern und Schreien“ seine eigene Fange­meinde. Dabei war er nur durch das Genre Musik­film über­haupt genehmi­gungs­fähig. Heik­le Szenen wur­den hitzig disku­tiert, blieben aber im Film. Nach sein­er Pre­miere im Okto­ber 1988 ging der Film dann qua­si mit den Bands auf Tour und entwick­elte sich so zum Kulth­it. Im Jahr des Mauer­falls lief er auf der Berlinale.“

Gle­ich im Anschluß gibt es Schräge Zeit, auch dafür eine absolute Guck-Empfehlung.

Subkultur in Russland

Punks wie Misha Buster mis­cht­en in den achtziger Jahren Moskau auf. Auf einestages erzählt der Bürg­er­schreck von einst über seinen irren All­t­ag im Unter­grund und zeigt Bilder der rus­sis­chen Sub­kul­turen aus seinem einzi­gar­ti­gen Privat-Archiv.

Sow­jetis­che Punks waren damals sehr speziell, eine anar­chis­che Gesellschaft, die sich allerd­ings nicht wie ander­swo aus der soge­nan­nten Arbeit­erk­lasse rekru­tierte. Die meis­ten von uns waren Kinder des Bürg­er­tums, die gern so etwas wie die Kreative Klasse sein woll­ten — kün­st­lerisch ambi­tion­ierte Jun­gen und Mäd­chen mit guter sow­jetis­ch­er Erziehung, aber ohne Chan­cen, in der Zukun­ft je zur offiziellen Kul­turszene zu gehören. Unsere Sit­u­a­tion brachte uns auf die Straße und von dort zu den Zirkeln im Unter­grund: Kun­st- und Musik­grup­pen, Jugend­ban­den, wie es sie in den meis­ten sow­jetis­chen Städten gab, und wo sich all das coole, mod­erne und inter­es­sante Zeug konzen­tri­erte. Moskaus Straßen waren in den achtziger Jahren zu einem großen Klub informeller und ehrlich­er Beziehun­gen gewor­den. Genau das hat­te ich gesucht, und so wurde ich Punk, Stil: Hooli­gan. Ein har­ter, lustiger Straßenkünstler… 

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Punk!

Ich bin mir nicht sich­er, was Punk wirk­lich war oder ist. punk ist auf dem kopf und auf der strasse, und sowieso nicht dead, aber trotz­dem nicht alive, so zumin­d­est die Kaput Krauts. Nach meinem Ver­ständ­nis ist Punk der bed­ingte Wille zum Mißer­folg und der Rah­men für begren­zte Unmöglichkeit­en. Und natür­lich und vor allem und in jed­er Hin­sicht D, I und Y. Sel­ber­ma­chen! Eventuell ist Punk aber auch nur, zwei bemitlei­denswert kostümierten Laien­darstellern beim Anpreisen von „Punk“ sam­plern zuzuse­hen. Und wenn das doch nicht Punk ist, dann zumin­d­est ein Garant für über­bor­dende Heit­erkeit. Wenn Sie jet­zt anrufen, erhal­ten Sie zwei Palet­ten Dosen­bier VOLLKOMMEN GRATIS dazu!


(via)

Yangon Calling

Myan­mar zählt zu den ärm­sten Län­dern der Welt. Die AIDS-Zuwach­srat­en sind hoch, der Bil­dungs­grad ist niedrig. Seit 1962 herrscht in Bir­ma, das 1989 offiziell in Myan­mar unbe­nan­nt wurde, eine Mil­itärdik­tatur. Dass das Regime im Dezem­ber 2010 offiziell freie Wahlen ver­anstal­tete, änderte für die Bewohn­er nichts.

Die deutschen Filmemach­er Alexan­der Dluzak und Carsten Piefke reis­ten 2011 als Touris­ten ins Land und dreht­en under­cov­er eine Doku­men­ta­tion über die Punkszene der Mil­lio­nen-Metro­pole Rangun.

Für junge Burme­sen ist Punk ein Weg, der ver­has­sten Regierung etwas ent­ge­gen­zuset­zen. In ihren Songs kri­tisieren sie die katas­trophalen Leben­sum­stände in Myan­mar und fordern Frei­heit und Men­schen­rechte. Die Mehrheit der Bir­ma­nen hat von der Bewe­gung noch nie gehört.

Lediglich 200 Gle­ich­gesin­nte leben in Ran­gun, ein­er Stadt mit fünf Mil­lio­nen Ein­wohn­ern. Punks wie Darko, dessen Band Side Effekt mit Hil­fe kanadis­ch­er Musik­er endlich ein Album her­aus­ge­bracht hat. Oder Scum, den Star unter den Punks in Ran­gun, der für seine Lebensweise mehrfach im Knast saß. Allen ist eines gemein­sam: ein wilder und lauter Kampf für die Frei­heit. Ein Leben zwis­chen Frust, Dro­gen und Musik. Ein Leben als Punk in ein­er Diktatur.

Hier die Doku in ganz­er Länge in der ZDF-Mediathek:

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