The Wedding Present in Hannover
„The boy Gedge has written some of the best love songs of the Rock’n’Roll Era.
You may dispute this, but I‘m right and you‘re wrong !” (John Peel)
Wenn John Peel Recht hatte (und John Peel hatte kwasi immer Recht!) dann hat David Gedge einige der besten Liebeslieder aller Zeiten geschrieben. Um uns persönlich und livehaftig von den Songwriterqualitäten des Herrn Gedge zu überzeugen, traten wir die kurze und vollständig unbeschwerliche Reise nach Hannover an.
Unsere Reise begann um 19.00 Uhr in der heimatlichen Börde. Ich hatte das große Los gezogen und mußte an diesem Abend nicht selbst fahren. Stattdessen wurde mir ein Platz in einem italienischen Reisemobil angeboten. Das Platzangebot war formidabel, die Ausstattung fabelhaft und die während der Fahrt stattgefundene Kommunikation nicht minder interessant. So machten wir uns in Auto 1 also auf den Weg, während uns das nigelnagelneue Auto 2 mit Teilen der Peppone-Besatzung und anderen netten Menschen unauffällig folgte. An der Abfahrt Braunschweig Hafen trafen wir auf einen Verwirrten, der erwähnte Abfahrt als Auffahrt interpretierte und folgerichtig zum Geisterfahrer wurde. Unsere beiden Automobile waren die letzten die noch durchkamen, der Rest mußte dann wohl oder übel bremsen und auf die Polente warten. Puh, Schwein gehabt — nicht das wir noch zu spät kommen!
In Hannover angekommen war die Lohkähschn auch schnell gefunden. Das Café Glocksee überzeugte mit einer netten Inneneinrichtung, einem ansprechenden Außenambiente und netten Menschen soweit die Augen reichten. Einzig über die Einlaßzeiten sollte diskutiert werden dürfen. Wenn man schon 30 Minuten bei knapp minus 40° Celsius in meterhohen Schneewehen steht, ist eine warme Decke, ein Tässchen Grog und ein Reisegutschein nach Ibiza nun wirklich nicht zuviel verlangt.
Letztendlich sind wir dann aber doch reingekommen. Teile der Besatzung stürzten zum Kicker um sich die Zeit zwischen Einlaß und Hauptband mit zwölf bis achtzehn Partien Tischfußball zu vertreiben. Was kein Verbrechen war — denn die Vorband namens Precious Few bot ebenso tadellosen wie langweiligen Acoustic-Indie-Pop. Bei einer Hermann-Kola ((erdig! schwarz! gut! Diese Art von offensichtlichen Indie-Gesöffen kennt man als herkömmlicher Bördebauer ja gar nicht. Hier gibt’s eben nur Koka oder Bebsi!)) inspizierte ich den Merchandise-Stand und traf dort sogar auf Herrn Gedge höchstselbst! Ich kaufte mir die bisher letzte CD der Live-Series und ließ sie selbstverständlich auch gleich signieren. ((Ich bin mir des teenagerhaften Treiben meines Tuns durchaus bewußt, stehe aber vollumfänglich und mit ganzem Herzen zu meiner Tat. Ehret die Interpreten und ehret ihre Unterschriften!)) Ich begann auch noch, ihm meinen Namen zu buchstabieren, aber dieser krähsi Engländer kannte den ganz offensichtlich schon.
Der Herr Gedge scheint mir übrigens ein geschäftstüchter Zeitgenosse zu sein. Neben inzwischen gefühlten dreihundertachtundsiebzig Wedding Present-Veröffentlichungen gab es eine Bieterliste für eine von ihm signierte Bassbox (?), die der Höchstbieter dann am Abend wohl mit nach Hause schleppen konnte. Außerdem signierte Drumdingers für 15,- EUR. Naja, er hat ja keinen Hauptjob und macht seit gefühlten hundert Jahren tolle Musik — seien wir also nachsichtig.
Nun aber ging es endlich los — Wedding Present betraten die Bühne ((vor ca. 200 bis 300 Leuten. Nicht leer, nicht zu voll. Prima)) um sofort eine Runde loszuschrammeln. Kleiner Besetzungswechsel am Schlagzeug (?) und am Bass — wovon beim besten Willen nix zu merken war. Die Band wirkte wie seit hundert Jahren eingespielt. Dabei ist David Gedge das einzige Originalmitglied. Was aber irgendwie auch nichts macht, da er ja immer ebenso Kopf wie auch Markenzeichen war. Los ging es also mit 2,3, Go! und dem sehr selten live gegebenen Where everybody knows your name. Anschließend wurde das komplette Bizarro-Album aus dem Jahre 1989 durchgespielt. Und wie! Ein großartiger Song reihte sich an den nächsten und Mr. Gedge machte nur kurze Pausen um nach jedem Song die Gitarre zu tauschen. Ich vermutete eigentlich, die exzessive Schrammelei erfordert nach jedem Song ein neues Stimmen. Andere Quellen aber meinen, daß während jeden einzelnen Songs Saiten reißen. Und die werden dann aufgezogen. Ganz neue Saiten. Wenn er keine neuen Saiten aufziehen ließ, unterhielt er das Publikum mit Ansagen in Deutsch. Selbige waren nahezu vollständig fehlerfrei, klangen aber trotzdem wie aus einem Monty Python-Sketch.
Nach dem vorletzten Song Take Me! hätte für mich eigentlich Schluß sein können, aber dem Album folgend gab’s noch Be Honest obendrauf. Eingangs erwähntes Take Me! jedenfalls ist ein unfaßbar großartiges Monster von einem überirdisch guten Rambazamba-Song und sollte unten ((Hamburg, nicht Hannover! Meine Videokamera hatte Grippe.)) in voller Lautstärke und mit wildgeschwecktem, bereits leicht schütterem Haupthaar genossen werden. So benutzt man Gitarren, Herrgottsakrament!!!
Nach diesem tollen Abend ((wie immer ohne Zugaben. Wedding Present geben nie Zugaben.)) traten wir die Rückreise an. Der Hunger trieb uns dann noch zu einer imperalistischen Schnellmahlzeiten-Kette aus Amerika, wo wir den einen oder anderen Burger verdrückten. Und auch auf Bürger trafen. So z. B. das hübsche Gesicht der gelungenen Integration, den Monteur Michael, einen 360° Drehungen-übenden Fiesta-Fahrer aus der Niederpfalz und ein paar hungrige Gestalten aus der Low Society. Und die waren alle auf Drogen, denn anders läßt sich ihr Verhalten nicht erklären… aber dazu niemals mehr.
Bis dahin und herzlichen Dank an die Organisatoren, Fahrer und Teilnehmende unserer wunderhübschen Klassenfahrt! Bis zum nächsten Mal!
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