Nazis

An der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen

Gestern haben wir die Gedenkstätte Feld­sche­une Isen­schnibbe Gardele­gen besucht. Ich war das let­zte Mal 1987 – also vor 35 Jahren – vor Ort. Und zwar mit „mein­er“ 9. Klasse der Poly­tech­nis­chen Ober­schule „Wern­er See­len­binder“. Ich hat­te meinen Kas­set­ten­reko­rder dabei und wir spiel­ten zum Gedenken an die Opfer das Lied „Unsterbliche Opfer“ ab.

Es hat sich einiges verän­dert, die Gedenkstätte ist um ein Doku­men­ta­tions- und Infor­ma­tion­szen­trum ergänzt wur­den und es gibt auf der Gedenkstätte selb­st viele sehr inter­es­sante Doku­men­ta­tion­stafeln, die das ver­brecherische Geschehen aus dem April 1945 gut beleuchten.

Die Gedenkstätte befind­et sich am his­torischen Tatort des Mas­sak­ers von Gardele­gen. Sie erin­nert an 1016 KZ-Häftlinge aus vie­len europäis­chen Län­dern, die dort am 13. April 1945 in ein­er Feld­sche­une unweit der Hans­es­tadt Gardele­gen ermordet wur­den. Zum Gelände gehört auch der Ehren­fried­hof, auf dem die Opfer des Mas­sak­ers beige­set­zt sind.

Einen infor­ma­tiv­en Artikel zum Ablauf gibt es auch in der Wikipedia.

Ins­ge­samt ein bek­lem­mender Besuch an einem bek­lem­menden Ort. Das graue reg­ner­ische Wet­ter passte per­fekt dazu.

Die Öff­nungszeit­en der Gedenkstätte sind sub­op­ti­mal, ich führe sie hier mal auf, falls jemand einen Besuch pla­nen möchte.

Dien­stag bis Don­ner­stag: 09:00 — 12:00 Uhr und 13:00 — 15:30 Uhr
Fre­itag: 9:00 — 13:00 Uhr

Jeden let­zten Son­ntag im Monat: 13:00 — 14:45 und 15.00 — 17:00 Uhr.

An Feierta­gen ist das Doku­men­ta­tion­szen­trum geschlossen.

Nie wieder Faschismus!

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Tag der Befreiung

Der 8. Mai 1945. Tag der Befreiung. Nicht „Tag der bedin­gungslosen Kapit­u­la­tion“, nein, „Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitler­faschis­mus“. In der DDR war dieser Tag von 1950 bis 1967 und im Jahr 1985 (zum 40. Jahrestag) geset­zlich­er Feiertag. Ich mußte das nach­schla­gen, ich hätte mich wohl fehlerin­nert und diesen Tag grund­sät­zlich als Feiertag im Gedächt­nis gehabt.

Man kann in Zeit­en wie diesen nicht oft genug auf diesen Tag hin­weisen und an das Ende des Hitler­faschis­mus erin­nern. Mehr als 1/3 der Deutschen ist für einen Schlußstrich und damit für ein Ende der Anerken­nung der his­torischen Schuld, bei den AfD-Anhängern sind es sog­ar sagen­hafte 72 Prozent. Das sind erschreck­ende Wert, die für die Zukun­ft nichts Gutes ver­heißen. Aber das ist auch keine neue Erken­nt­nis, man sieht ja on- wie offline ganz gut, was sich da über­all zusam­men­braut. Eine Quer­front-Mis­ch­poke aus Impfgeg­n­ern, Coro­na-Leugn­ern, besorgten Bürg­ern, (Neo)nazis und Friedens­be­wegten im Kampf „gegen das Sys­tem“. Die Gren­zen sind fließend gewor­den, unüber­schaubar und nichts ist mehr ver­läßlich einzuordnen.

Any­way, bleibt in euren Köpfen aus­ge­wogen, bleibt kri­tisch, bleibt auf der Hut und bleibt vor allem überzeugte Antifaschis­ten. Was ist dieses Land mehr als je zuvor braucht, ist ein bre­it­er gesellschaftlich­er Kon­sens von kon­ser­v­a­tiv bis linksaußen: Nie wieder Faschismus!


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Total war is coming

Tag 7889 in der Coro­na-Iso­la­tion für einen Aus­flug zum Magde­burg­er REWE-Markt genutzt. Aus den Laut­sprech­ern der Markbeschal­lung erklin­gen Durch­hal­teparolen, die wie ein Mix aus Kinder­garten-Päd­a­gogik („Wir hal­ten Abstand und schub­sen nicht!“) und Orwellsch­er „1984“-Propaganda („Der REWE-Markt bedankt sich für Ihre Mitar­beit. Wir alle hal­ten zusam­men in Zeit­en wie diesen.“) besteht.

Drei Plätze vor mir an der Nach­barkasse fällt mir ein Glatzkopf mit über­mäßig stark bedruck­ten Kack­klam­ot­ten auf.

Auf der Rück­seite seines T‑Shirts die Auf­schrift „Fight Club D39“, wobei die „39“ wohl für die Postleitzahl der Kampfk­lub­ber ste­hen soll. Auf seinem Hin­terkopf „White (Thor­sham­mer) Pow­er“, mis­er­abel tätowiert und nur unter Anstren­gun­gen zu entz­if­fern. Während ich darüber nach­denke, ob ich aus den direkt neben mir ste­hen­den Bierkästen eine Flasche Bier nehmen, und sie gepflegt und mit Schwung über seinen Hin­terkopf ziehen sollte, fall­en mir seine unteren Extrem­itäten auf.

Auf sein­er Hose prangt im Hal­bkreis quer über den Arsch „Total war is com­ing“. Was mich spon­tan an ein ver­mut­lich vorhan­denes Diar­rhoe-Prob­lem sein­er­seits; ihn aber ver­mut­lich eher an Goebbels’ „total­en Krieg“ erin­nert. Für diesen allerd­ings, schien er mir auf­grund der teigar­ti­gen Wurst­brotigkeit seines Kör­per­baus denkbar ungeeignet.

Während eine neue Kasse öffnet und die Kassiererin mir ein fre­undlich­es „Kommse doch mit rüber!“ ent­ge­gen­wirft, stelle ich fest, was für unglaublich­es Geschmeiß doch in dieser unser­er Lan­deshaupt­stadt rum­läuft. Vielle­icht trifft das Coro­n­avirus ja auch mal die richtigen.

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Die gesetzlosen Nachwendejahre – Die Auseinandersetzungen in Behnsdorf im November 1991

1989. Ein Land bricht zusam­men und hin­ter­läßt nichts außer einem riesi­gen Vaku­um. Jed­er ist auf der Suche nach Ori­en­tierung, neuen Nor­men und Werten und mit­ten in dieser Leere herrschen Rat- und Plan­losigkeit. Und es herrscht Gewalt. Ein Ereig­nis aus den frühen 90er Jahren ist mir neben dem Tod von Torsten Lam­precht und dem Tod von Frank Böttch­er beson­ders in Erin­nerung geblieben: Die gewalt­täti­gen Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen Neon­azis und linken Jugendlichen Ende 1991 in Behns­dorf. Nichts darüber lässt sich im Inter­net find­en, weshalb ich mich auf den Weg in Zeitungsarchiv machte und mit diesem Artikel die Vor­fälle samt Über­fall auf die Music-Hall in Behns­dorf Ende 1991 doku­men­tieren möchte.

Nach­dem ich im Volksstimme-Archiv die Jahrgänge 1992 und 1993 erfol­g­los beack­ert habe, mußte ich von mein­er trügerischen Erin­nerung Abstand nehmen – ich hat­te die Ereignisse in Behns­dorf zeitlich in diesen bei­den Jahren verortet – und mich dem Jahr 1991 wid­men. Im Novem­ber wurde ich fündig.

Die Auseinan­der­set­zun­gen in der und um die Music-Hall Behns­dorf fan­den in der Nacht vom 2. auf den 3. Novem­ber 1991 statt. Dem voraus­ge­gan­gen war eine lange Kette von gewalt­täti­gen Über­grif­f­en durch Neon­azis im Großraum Haldensleben.

ZeitungDie Music-Hall war ein zur Dis­cothek umfunk­tion­iertes altes LPG-Gebäude, das von einem gewis­sen Man­fred Kurth ab dem August 1990 betrieben wurde. Es wurde recht schnell auch zum Sam­mel­beck­en für Neon­azis aus dem Raum Haldensleben, Magde­burg und Wolfs­burg. Nazis im sein­erzeit typ­is­chen Out­fit – Bomber­jacke, Springer­stiefel, die oblig­a­torischen Aufnäher – waren damals im Straßen­bild und eben auch in Dis­cotheken völ­lig nor­mal. Aus dem Umfeld der Music-Hall gab es erste Über­griffe auf Men­schen, deren Gesichter den Nazis nicht passten. Es reichte damals völ­lig aus, irgend­wie anders auszuse­hen oder sich „anders“ zu ver­hal­ten. Man mußte kein Punk sein, um auf die Fresse zu bekom­men. Alles, was nicht ins kleingeistige Welt­bild unser­er ewiggestri­gen Fre­unde passte, wurde gnaden­los weggeprügelt. Auch ich hat­te bere­its 1990 das Vergnü­gen, zusam­men mit einem Kumpel im Anschluß an das leg­endäre Rot­ten To The Core-Fes­ti­val von 5 Glatzen über­fall­en wor­den zu sein… aber zurück zum Thema.

Nach ein­er Rei­he von Über­fällen und Kör­per­ver­let­zun­gen auf Punks und andere Jugendliche wurde zunächst zum Boykott der Music-Hall aufgerufen. Ein paar Tage später sam­melten sich an der Dis­cothek „Pleit­egeier“ im benach­barten Flechtin­gen mehrere Dutzend junge Men­schen und beschlossen, die Music-Hall im benach­barten Behns­dorf zu über­fall­en und den Nazis eine ordentliche Abrei­bung zu verpassen.

Es kam zu mas­siv­en Kör­per­ver­let­zun­gen, Auss­chre­itun­gen und Zer­störun­gen. Ich kann mich erin­nern, gerüchteweise von Toten gehört zu haben; dazu ließ sich allerd­ings nichts find­en. Laut Augen- und Ohren­zeu­gen war es ein babarisches Schaus­piel apoka­lyp­tis­ch­er Gewalt; und zwar auf bei­den Seit­en. Ich bin dazu mit 2 Men­schen im Gespräch, die dabei waren. Vielle­icht fol­gt ja später noch ein Inter­view oder ein Augenzeugenbericht.

Vor­erst jedoch sind in nach­fol­gen­der Galerie die Ereignisse – aus Sicht der Volksstimme-Redakteur*innen natür­lich – doku­men­tiert. Außer­dem geben die Artikel einen guten Ein­druck davon, wie boule­vardesk und auf der Suche nach jour­nal­is­tis­chem Niveau die Lokal­presse damals war. Man hat­te wohl große Angst, die Abo-Kun­den laufen in Rich­tung BILD davon… Inter­es­sant auf jeden Fall, die völ­lig sin­n­freien Antworten der befragten „recht­en Jugendlichen“, die Flug­blät­ter der „AFA-HDL“, oder die Bemühun­gen vom dama­li­gen Bürg­er­rechtler Hans-Jochen Tschiche – alles in der Galerie zu lesen.

Gute Unter­hal­tung, soweit man bei diesem The­ma von Unter­hal­tung reden kann.



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Die Gedenkstätte Buchenwald

Kurz vor dem Jahreswech­sel hat es uns nach Thürin­gen ver­schla­gen. Erfurt ist wirk­lich eine schöne Stadt; bräuchte es ein Muster­beispiel für den „Auf­bau Ost“, sollte man Erfurt zu Rate ziehen. Am let­zten Tag unseres Kurzurlaubes waren wir die Gedenkstätte Buchen­wald auf dem Gelände des ehe­ma­li­gen Konzen­tra­tionslagers besuchen. Ich war bere­its 1986 dort, auf der oblig­a­torischen Klassen­fahrt der 8ten Klassen ein­er jeden DDR-Schule. Gän­zlich unbekan­nt war mir der Fakt, das das Lager noch bis 1950 von der Sow­je­tu­nion als Gefan­genen­lager genutzt wurde. Auch der beina­he voll­ständi­ge Abriß fast aller Gebäude wurde uns auf ein­er Führung damit erk­lärt. Die Sow­jets woll­ten jedes Zeug­nis ihres Lagers ver­nicht­en. Die Nutzung des Lagers bis 1950 wurde in der späteren DDR kom­plett tot­geschwiegen, ich hat­te nie davon gehört.

Ein­dringlich dargestellt wer­den die Zeug­nisse der Naz­i­herrschaft. Ob Kre­ma­to­ri­um, Fleck­fieber-Ver­suche an Häftlin­gen, eine getarnte Genickschußan­lage oder der ans Lager gren­zende Zoo für ein bißchen Enter­tain­ment neben der Folter­herrschaft – der übri­gens auch für die Weimar­er Bevölkerung geöffnet war – die Ein­drücke dort sind bedrück­end. Im ehe­ma­li­gen Gebäude der Effekten‑, Klei­der- und Gerätekam­mer gibt es eine mehr als sehenswerte Ausstel­lung zur Geschichte des Lagers von 1937 – 1950 zu sehen. Für den Besuch allein der Ausstel­lung sollte man als Interessierte/r min­destens 2 Stun­den ein­pla­nen. Neben jed­er Menge Anschau­ungs­ma­te­r­i­al und Orig­i­nal-Doku­menten gibt es eine exzel­lent auf­bere­it­ete und chro­nol­o­gisch angelegte Zeitachse „abzu­laufen“, auf deren Ver­lauf man die Lagergeschichte vom Bau bis zum Ende bis ins Detail ver­fol­gen und begreifen kann.


Wieder zuhause, habe ich reich­lich Wikipedia-Artikel zum The­ma ver­schlun­gen. Wer weit­er­lesen möchte, dem seien die Artikel über den 1. Lagerkom­man­dan­ten Karl Koch, seine Frau Ilse, die Stadt Weimar zur Naz­izeit empfohlen.

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Der Überfall auf die Zionskirche 1987


© einestages/Spiegel Online

Heute vor 30 Jahren fand der Über­fall auf das Konz­ert von Ele­ment Of Crime und Die Fir­ma in der Zion­skirche in Berlin statt. Ich erin­nere mich noch an die (rudi­men­täre) Berichter­stat­tung in der DDR-Presse und den fol­gen­den Prozeß. Zwei inter­es­sante Artikel zum The­ma hal­ten einestages und das BStU Stasi-Unter­la­gen-Archiv bereit.

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Der 9. Mai 1992

Am kom­menden Dien­stag, dem 9. Mai, ist der Über­fall an den Elbter­rassen in Magde­burg-Cra­cau genau 25 Jahre her. Torsten Lam­precht starb zwei Tage später an den Fol­gen des Angriffs.

Für mich per­sön­lich stellt dieser Tag bis heute eine Zäsur dar. Seit dem 9. Mai 1992 ging es um Leben oder Tod, das weiß jed­er, der erlebt hat, was für ein gewalt­tätiges und ras­sis­tis­ches Dreck­sloch das Magde­burg der 90er Jahre war. Ich möchte mich dazu nicht weit­er aus­lassen, son­dern lieber auf die Gedenkver­anstal­tung am Dien­stag, dem 9. Mai 2016 um 16.00 Uhr hin­weisen. Die Mah­nwache find­et am Torsten-Lam­precht Weg/Ecke Brücke am Wasser­fall statt. Der Ver­anstal­tung­sort befind­et sich in unmit­tel­bar­er Nähe der ehe­ma­li­gen „Elbter­rassen“.

Darüber hin­aus find­et am Mittwoch, den 17. Mai 2016 um 19.30 Uhr eine Diskus­sion­srunde unter dem Mot­to „„Torsten Lam­precht ist tot!“ – Die Stadt­ge­sellschaft und die Erin­nerungskul­tur an die rechte Gewalt der Neun­ziger Jahre“ statt. Die Ver­anstal­tung läuft unter dem Leitsatz

1992: Angriff auf die „Elbter­rassen“ und Tod von Torsten Lam­precht, 1994: „Him­melfahrt­skrawalle“, 1997: tödlich­er Angriff auf Frank Böttch­er: Die Neun­ziger Jahre waren ein Jahrzehnt mas­siv­er rechter Gewalt. Wir wollen in der Ver­anstal­tung zurückschauen auf diese Zeit zurück- und davon aus­ge­hend auf heute schauen: Was hat sich in der Magde­burg­er Stadt­ge­sellschaft im Umgang mit rechter Gewalt seit­dem verän­dert? Was müsste noch getan werden?

und find­et in der Feuerwache, Hal­ber­städter Straße 140, statt.

Organ­isiert wer­den bei­de Ver­anstal­tun­gen vom Bünd­nis gegen Rechts Magdeburg.

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