Seit langer langer Zeit mal wieder ein Erlebnisbericht. Die Länge der Zeit ohne Erlebnisberichte erklärt sich dadurch, dass ich lange nicht mehr unterwegs war. Nun aber war ich mal wieder mit den Jungs von PEPPONE unterwegs, weshalb sich der Kreis an dieser Stelle schließt und der Erlebnisbericht beginnt:
Die Strafe haben gerufen, und wenn Die Strafe ruft, erscheint man gefälligst. PEPPONE waren eingeladen, die große Party zum 30-jährigen Geburtstag der „lustigsten Düsterpunkbands Deutschlands“ zu eröffnen. Passenderweise findet das Ganze auch noch am Vorabend des 3. Oktober statt … Ost und West vereint. Formidabel, wie die PEPPONE-Jungs nun mal sind, holten sich mich zu diesem Ereignis und der langen Fahrt nach Mönchengladbach sogar direkt zu Hause ab. Um 10.00 Uhr trudelt eine E‑Mail eines Reiseveranstalters in mein Postfach. Die trägt allen Ernstes den Betreff „So schön können hässliche Städte sein“ und lässt mich darüber räsonieren, ob diese E‑Mail vielleicht ein Leitbild für unsere Reise sein könnte. Dazu später mehr.
Während ich weiter darüber nachdenke, schellt bereits die Glocke und die guten Buben von PEPPONE stehen zur Abholung meiner Person vor der Tür. Guten Tach, Hallo Hallo und auf geht die Reise. Marienborn passieren wir wider Erwarten ohne jede Kontrolle, wir können unser Glück kaum fassen, den goldenen Westen so schnell und problemlos erreicht zu haben.
Die 400 km lange Strecke zieht sich wie Kaugummi und pünktlich zum Start der Bundesliga-Übertragung übergibt Tuba den Fahrerposten an seine Anke, damit auf der Rückbank Fußball geschaut werden kann. Fortan herrscht via Notebook und Bluetooth-Box echte Stadion-Atmosphäre im Auto. Zum Glück gewinnt der 1. FC Grün-Weiß Klein Ammensleben 1:0 gegen die Sportfreunde aus Regensburg. Zum Glück, weil die gleichzeitige Niederlage Borussia Mönchengladbachs gegen TuS Wattenscheid bestes Futter für fortwährende Neckereien gegen die Gastgeber von Die Strafe liefert. Fußball eben, ein weites Sportfeld, von dem ich keine Ahnung habe.
Ich bewundere Anke, die es scheinbar ohne große Mühen und gelassene Nerven schafft, uns in dieser Atmosphäre der fußballerischen Aufgeheiztheit sicher nach Mönchengladbach zu bugsieren.
Das Hotel finden wir sofort und ohne Mühen, beim Check-In fällt mir auf, dass die Drehtür des Mercure Parkhotel defekt ist. Ich sinniere innerlich über den faulenden, stinkenden Imperialismus und merke, dass er ob der kaputten Tür tatsächlich kurz vor dem Niedergang steht.
Nach etwas Tamtam bezüglich der Reservierungen klärt sich final alles und ich beziehe das mir zugedachte Einzelzimmer zur kurzen Verschnaufpause, bevor es auch schon weiter ins Projekt 42 geht. Wir werden von den Herren der Die Strafe herzlich begrüßt, erhalten eine kurze Einweisung in die Gegebenheiten und bauen unser Zeug auf.
Im Laufe der Soundchecks stellt sich heraus, dass Denis Bassbox den Geist aufgegeben hat. Die Strafe holen rasch eine andere Box aus ihrem Proberaum, was dem Basssound an diesem Abend wohl den Arsch rettet.
Wir bekommen unseren UNGÜLTIG-Stempel, der uns zum freien Backstage-Trinken berechtigt und uns vom hochkomplexen Verzehrkartensystem des Projekt 42 ausschließt.
Gegen 19 Uhr ist Einlass und tatsächlich hat sich schon einiges an Besuchervolk vor der Tür des Clubs versammelt. Wir allerdings beschließen erstmal, etwas essen zu gehen und fallen als 9‑Mann-Horde in einen nahegelegenen Döner-Imbiß ein. Die Bedienung meistert den Einfall der Barbaren souverän und Alexander Strafe schmeißt eine Runde Falafel und Döner für die ganze Bande. Danke! Das war einer der leckersten Döner, die ich jemals verspeisen durfte, das Futterniveau im Westen der Republik ist mutmaßlich höher als an den Fleischfresstheken hierzulande. Während dem Essen diskutieren wir mäßig engagiert über Body Shaming und freie Oberkörper in der Öffentlichkeit, aber so richtig will sich niemand positionieren. Sind wir zu alt für den Scheiß?
Es ist mittlerweile 20.30 Uhr und so langsam sollten wir uns mal wieder Richtung Club bewegen … was wir dann auch tun. Es geht quasi direkt vom Imbiß auf die Bühne und nach kurzem Motivations-Pfeffi legen PEPPONE auch sofort los.
Die Jungs sind super eingespielt, es gibt viel mehr als nur höflichen Applaus und ich erlebe das bislang beste PEPPONE-Konzert. Alle Hits dabei, kurz und knackig auf den Punkt, ohne unendliches Gelaber zwischen den Songs. Kartoffelfell bekommt einen „Gladbach soll brennen!“-Part, das gefällt mir. Ein super Konzert und mit sehr viel Zuspruch und Applaus für einen Supportact, bravo! Das sehen die Jungs selbst offenbar auch so, denn es gibt überall strahlende Gesichter.
Die Strafe übernehmen die Bühne und feuern gleich zu Beginn ein gewaltiges Hit-Feuerwerk ab. In beinahe kindlicher Aufgeregtheit werden Hits aus 30 Jahren Bandgeschichte wie Himmel hilft nicht, Gießen oder natürlich Strafe muß sein dargeboten. Auch der obligatorische Henry mit dem Spaten darf selbstverständlich nicht fehlen und erscheint während des Songs auch in persona auf der Bühne. Alexander reißt der Gurt der Bassgitarre, das gleiche passiert Nico bei seinem Gastauftritt. Normen PEPPONE versucht als gelernte Pflegekraft den alten Herren auf der Bühne auszuhelfen, was nur kurz funktioniert. Schlußendlich geht es mit Denis‘ Bassgitarre weiter. Nach nur 90 Minuten Die Strafe ist auch schon Schluß und es wird zur Aftershowparty mit DJ Nico gerufen.
Ich vertreibe mir die Zeit am Merch und werde Zeuge mehrerer Plattenpreisdiskussionen: Wir haben die Friede Ast / Ader Steif-Tribute-Single dabei, die Micha vom Frei zum Abriß Kollektiv für uns geschnitten hat. Es gibt jeweils 30 Exemplare in einer ersten (Friede Ast) und zweiten (Ader Steif) Auflage. 3 Songs auf 8″ Lathe Cut in transparentem Vinyl, handgebasteltes Innencover, handgebastelte Schutzhülle. Ein Haufen Arbeit für 20 €. Aber einigen Leuten einfach zu teuer. „Hätte ich mal weniger Bier getrunken… “ ja, hättest Du mal tun sollen. Dann hättest Du halbnüchtern vielleicht auch noch eine ungefähre Vorstellung davon, wie viel Arbeit und Herzblut in dieser kleinen Single steckt.
Am Merch lerne ich außerdem Swen Bock kennen, dem ich schon lange mal die Meinung geigen wollte. Die Gelegenheit ist also günstig und kommt so schnell nicht wieder, weshalb ich Herrn Bock frisch, froh und wohlgemut mit großem Lob überschütte und ihm offenbare, dass ich seine Kolumnen und seine Artikel auf duisburch.de sehr sehr gerne lese. Ich attestiere ihm noch einen Leuchtturm-Status in dunklen Zeiten wie den jetzigen und bevor es völlig peinlich für mich wird, verabschiede ich mich und wünsche einen schönen Urlaub. Herr Bock hat übrigens eine echte DDR-Mark an unserem Merch als Bezahlung hinterlassen, eine Aktion die in ihrer messerscharfen Symbolkraft mikromillimetergenau auf der Klinge zwischen DREIST und GENIAL tanzt. Großartig. Genauso großartig ist übrigens seine Playlist aus der Hölle, unbedingt mal reinhören.
Um 2 Uhr fahre ich als einzig Nüchterner Denis‘ Auto auf den Hotelparkplatz und bleibe auch gleich da. Halb benommen vor Müdigkeit, halb begeistert vom Konzertflash nehme ich eine Dusche und schaue „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff auf Hessen 3. Der Rest der Bande feiert noch bis 4 Uhr morgens.
Am nächsten Morgen treffen sich 75% unserer Reisegruppe bei Alexander Strafe zum Frühstück, während Denis mich und 3 weitere Gäste aus Berlin schon in Richtung Heimat fährt. Wir sind alle ein bißchen durch und zuhause angekommen, falle ich auf dem heimischen Sofa während der zweiten Staffel Dark auf Netflix in ein tiefes, dunkles und müdes Loch und merke, wie anstrengend die letzten Wochen und Monate waren.
Mönchengladbach ist übrigens eine sehr schöne, sehr grüne Stadt. Man nennt es nicht ohne Grund das Magdeburg des Westens.
Ein feiner Abend mit tollen Menschen und guter Musik … auf die nächsten 30 Jahre Die Strafe!
Werft gerne auch einen Blick in die Galerie, dieses Mal sind die Bilder sogar kommentiert:
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Hach, cool. Danke für den Bericht. Mit den Fotos und dem Text habe ich das Gefühl mit dabei gewesen zu sein. Bestimmt waren noch mehr EA80-Leute im Projekt 42 hielten sich aber gut bedeckt im dunklen Hintergund 😀