Der gute Landfilm: Shutter Island

Aus­nahm­sweise mal ’ne aus­geliehene Kri­tik zum Guten Land­film. Hätte ich genau­so geschrieben — hätte ich nur gekonnt. 😉

Mar­tin Scors­ese spielt in jen­er exquis­iten Oberk­lasse von Regis­seuren, die höch­stens eine Hand­voll Mit­glieder zählt. Wenn der New York­er einen neuen Kinospielfilm an den Start bringt, ist das schon für sich genom­men ein Ereig­nis. Hat­te der Ita­lo-Amerikan­er früher in Robert De Niro (Hex­enkessel, Taxi Dri­ver, Wie ein wilder Sti­er, Kap der Angst, Good­Fel­las, Casi­no) seine Muse, über­nahm Leonar­do DiCaprio 2002 bei Gangs Of New York den Staffel­stab und spielt nun nach Avi­a­tor und The Depart­ed schon seine vierte Haup­trol­le für den Großmeis­ter. Die Vorzüge liegen auf der Hand: DiCaprio ist nicht nur ein­er der besten Schaus­piel­er sein­er Gen­er­a­tion, son­dern auch ein echter Film­star, der die Men­schen alleine mit seinem Namen in die Kinos lock­en kann. Das mag auch mit „Shut­ter Island“ gelin­gen, immer­hin hat das Stu­dio die mögliche neg­a­tive Pub­lic­i­ty bei einem Oscar-Rein­fall vermieden.

Scors­ese geht gle­ich zu Beginn in die Vollen. Der Score tost pom­pös-offen­siv voran und schafft eine Atmo­sphäre wie in einem B‑Hor­ror-Thriller, die von Robert Richard­sons (Inglou­ri­ous Bas­ter­ds, „Avi­a­tor“) über­ra­gen­der Kam­er­aar­beit vere­delt wird. Der cinephile Regis­seur ver­mis­cht die Gen­res und nimmt mit der visuellen Gestal­tung sowie mit Hard-Boiled-Dialo­gen Anlei­hen beim Film Noir, während er immer tiefer in die Psy­che sein­er Haupt­fig­ur ein­taucht, die ver­sucht, das Rät­sel von Shut­ter Island zu lösen.

Die Puz­zlestücke, die von Drehbuchau­torin Lae­ta Kalo­gridis (Pathfind­er, Alexan­der) geschickt aus­gelegt wer­den, beschäfti­gen das Pub­likum erst ein­mal eine Weile, jed­er Zuschauer kann sich einen eige­nen Reim darauf machen und wer sich dafür viel Zeit lässt, hat keine Nachteile, denn mit einem Wen­dungs-Coup wer­den die Karten neu gemis­cht. Unab­hängig davon schle­ichen sich im Mit­tel­teil einige Län­gen ein, die Hand­lung kommt nicht voran und ver­liert ihren Fokus. Aber das ist die Ruhe vor dem Sturm: Im drit­ten Akt über­schla­gen sich schließlich die Ereignisse.

DiCaprio (Blood Dia­mond, Zeit­en des Aufruhrs), den gern unter­schätzten, aber oft aus­geze­ich­neten Mark Ruf­fa­lo (Zodi­ac, Col­lat­er­al, Die Stadt der Blind­en) und Ben Kings­ley (Gand­hi, Schindlers Liste) zur Ver­fü­gung zu haben, ist ein Segen, aus dem aber auch eine Verpflich­tung erwächst. DiCaprio ist der klare Dom­i­na­tor des Films. Alles ist auf den Kali­fornier zugeschnit­ten, der mit pur­er Präsenz Akzente set­zt. Sein Mar­shal Daniels wird von inneren Dämo­nen gejagt, die ihn aber nicht hem­men, son­dern ans­pornen, weit­er zu ermit­teln. Lei­der übertreibt es Scors­ese mit ger­adezu epis­chen Rück­blenden, die Daniels‘ men­tale Insta­bil­ität bebildern. Immer wieder geht es zurück in Daniels‘ Zeit im Zweit­en Weltkrieg. Er hat als US-Sol­dat an der Befreiung des Konzen­tra­tionslagers Dachau mit­gewirkt, sich aber auch selb­st kalt­blütiger Morde schuldig gemacht. Damit nicht genug, in ein­er zweit­en Flash­back-Ebene plagt ihn der Tod sein­er Frau Dolores, die in seinen Träu­men zu ihm spricht und ihm Ratschläge gibt, was als näch­stes zu tun sei. Diese Aus­flüge in die Psy­che sind für die Prosa eines Romans ein Geschenk, aber ihre filmis­che Illus­tra­tion ist generell heikel. Während der Zuschauer ges­pan­nt die Thriller­hand­lung weit­er ver­fol­gen will, hem­men die Rück­blenden immer wieder den Erzählfluss.

DiCaprios Co-Star Mark Ruf­fa­lo ste­ht unüberse­hbar im Schat­ten des großen Leo. Er erfüllt über­wiegend die Funk­tion eines Stich­wort­ge­bers für seinen Boss. Ruf­fa­lo erhält wenig Gele­gen­heit­en zu eige­nen Akzen­ten, aber überzeugt bei diesen mit sein­er ruhi­gen Art. Ben Kings­ley als Gegen­pol zu den bei­den US-Mar­shals hat im Ver­gle­ich dazu die weitaus dankbarere Rolle. Der Oscarpreisträger gefällt mit zurück­hal­ten­dem Spiel, was seine Fig­ur des undurch­sichti­gen Dr. Caw­ley noch ein­mal geheimnisvoller erscheinen lässt.

Mag es dra­matur­gisch auch einige Hol­prigkeit­en geben, stilis­tisch ist „Shut­ter Island“ abso­lut über jeden Zweifel erhaben. Die abgele­gene Insel ist ein per­fek­ter Drehort, die raue Land­schaft und deren Insze­nierung gemah­nt an Klas­sik­er der Sechziger­jahre und das Wet­ter nimmt teil­weise gar die Funk­tion ein­er Neben­rolle ein, wenn ein kräftiger Sturm über das Eiland zieht und den Mikrokos­mos Shut­ter Island ins Chaos stürzt.

Faz­it: Mar­tin Scors­eses „Shut­ter Island“ ist kein Meis­ter­w­erk. Oft sind die Einzel­teile des Thrillers bess­er als das Ganze, daran ändert auch die her­aus­ra­gende Kam­er­aar­beit von Robert Richard­son und das engagierte Auftreten von Leonar­do DiCaprio nichts. Anson­sten gibt es von allem etwas zu viel: Die Cops sind ein biss­chen zu abge­brüht, die Anstalt­saltvorderen ein wenig zu fin­ster und die Schat­ten, die das Ungemach wirft, einen Tick zu lang. Doch die Bril­lanz, mit der Scors­ese das alles insze­niert, ist trotz aller Ein­wände bewun­dern­swert und macht aus „Shut­ter Island“ einen abso­lut sehenswerten Film. (Quelle)

Offizielle Web­site

Filmstarts.de
Kino.de


6 Kommentare zu „Der gute Landfilm: Shutter Island“

  1. Also mit Schnitt meine ich, dass die Schnitte von ver­schiede­nen Ein­stel­lun­gen nicht per­fekt sind. In der einen Ein­stel­lun­gen zieht er an sein­er Kippe und dann Schnitt, andere Ein­stel­lung der sel­ben Szene, Arme in den Hüften, oder so ähn­lich. Das ist mir mehrmals in dem Film aufge­fall­en. Aber find ich nicht so gravierend schlimm.

  2. Jepp, ein sehr fein­er Film! Ich hat­te im Vor­feld gedacht, er wird fin­ster­er — aber ich bin dann schon mit einem „cool!“ aus dem Kino gegangen.…

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