Sommerloch

Früher gab es noch VHS-Kas­set­ten in Videotheken. Ver­gaß man vor der Rück­gabe das Rück­spulen, wurde 1,00 DM Spul­ge­bühr fäl­lig. Heute gibt es DVDs. Wo abge­spielt wird, bes­timmt nicht mehr die Stelle des Mag­net­ban­des, son­dern Kol­lege Laser. Früher sah man fern um sich ablenken zu lassen oder sich zu entspan­nen. Heute sieht man armen Men­schen bei der Ren­ovierung ihres abris­s­reifen Haus­es oder beim Auf­bau ein­er neuen Exis­tenz in Kuala Lumpur zu. Oder Ord­nung­shütern beim Ord­nung hüten…

Oder sozial-inkom­pat­i­blen Z‑Promis beim Anricht­en von Gericht­en mit unaus­prech­lichen Namen. Oder reichen (und oft unglaublich dum­men) Hornochsen beim Fer­rari-Kauf. Früher traf man alle Jubel­jahre mal ein paar bekan­nte Gesichter in den Innen­städten seines ger­ing­sten Unver­trauens. Heute sind wir dank glob­aler Ver­net­zung in der Lage, jede per­sön­liche Stim­mungslage unge­filtert in den Äther zu blasen. Wie z. B. dieses schwachsin­nige Twit­ter-Geblöke, von dem ich gar nicht so recht weiß, warum ich es so has­se. Vielle­icht weil in der Kürze nicht die Würze, son­dern nur die Ober­fläch­lichkeit liegt. Das Web 2.0 ist tot, es lebe die Eckkneipe!

Zur Über­brück­ung des hier aufge­ta­nen Som­mer­lochs empfehle ich eine Reise in die Schweiz oder die Ver­gan­gen­heit. Eine Zeit­mas­chine wäre was feines, am besten eine, die mit Erdgas läuft. Das macht die Zeitreise rein kos­ten­tech­nisch über­schaubar und schont die Umwelt. Umweltscho­nen ist näm­lich total in, manche scho­nen soviel und solange, daß ihre CO2-Bilanz bere­its neg­a­tiv ist. Sie nehmen nicht mehr, sie geben. Näm­lich Sauer­stoff. Sauer­stoff für unsere grüne Lunge, den Gevat­ter Wald. Das ist das Ding, was links und rechts von den Straßen ste­ht. Mit Bäu­men drin und so. Im Som­mer ist er grün, im Win­ter weiß. Aber nur wenn Schnee liegt. Wald ist spitze, beson­ders der gesunde. Man kann sich in ihm gut erholen, es gibt dort kein Fernse­hen und alle 5 km haben SIE eine Imbißbude aufge­baut an der man Bock­wurst oder veg­e­tarischen Roll­mops kaufen kann. Veg­e­tarisch­er Roll­mops ist der Rolls Royce unter den Fis­chgericht­en. Er riecht nicht streng, ist gesund, hüb­sch anzuse­hen und reich an mehrfach ungesät­tigten Omega 3‑Fettsäuren. Omega 3 ist gut für die Durch­blu­tung. Man bleibt frisch und jung wie ein Fisch im Ozean. Nützt aber nichts, denn ster­ben müssen wir alle mal. An irgend­was. Wird sich schon was find­en lassen. Aber durch­blu­tung­stech­nisch sind wir in einem Top-Zus­tand gestor­ben, wenn uns zum Beispiel ein Treck­er oder Rüben­laster anfährt. „Er ist platt wie ’ne Flun­der, aber seine Arte­rien sind noch spitze!“ sagt der Bestat­ter dann vielle­icht. Aber bis dahin iss­es sich­er noch ein Weilchen und deshalb muß ich jet­zt erst­mal was essen. Am besten Fisch.

Zum Abschied noch der Link des Tages: Raubkopier­er sind Ver­brech­er. Eigentlich sind wir alle Ver­brech­er. Irgen­dein Grund wird sich schon find­en lassen in diesen Zeit­en der Totalüberwachung.

13 Kommentare zu „Sommerloch“

  1. Das einzig pos­i­tive am Netz ist doch das man mitunter nette Leute ken­nen lernt die man so im Leben nicht getrof­fen hätte (selb­st wenn man sich mal in die Börde verir­rt hätte). Anson­sten ist das Inter­net doch ein ganz großer Scheißhaufen! Neben­bei, wieder mal ein ganz toller Text Herr Börde­baron. Drückt das Ihre derzeit­ige Stim­mung aus?

  2. Ich steige mor­gen in die Zeit­mas­chine und ver­bringe ein paar Feri­en­t­age in Kyritz :mrgreen: Meld mich im näch­sten Monat zurück.…also ab ins Sommerloch!

  3. jule wäscht sich nie

    Sei umarmt, lasst uns alle die Hände reichen, fahren wir irgend­wohin wo die Men­schen das Inter­net einen Scheiß­dreck inter­essiert und man noch durch die Fen­ster übern Hin­ter­hof der Nach­barin das aktuelle Abend­pro­gramm im Fernse­hen rüber­brüllt. Oder ein­fach alle zusam­men in die Vor-Alter­skom­mune ziehen, den Garten pfle­gen und abends beim Her­rengedeck den ereignis­ar­men Tag Revue passieren lassen. Mehr Leben, weniger darüber bericht­en für Men­schen die mir am Arsch vor­bei gehen.

  4. Sehr schön, sehr schön! gefällt mir gut und kann ich nur unter­stützen diese Stim­mung! Wäre da nicht der kleine Mann im Ohr, der einem flüstert: „soso, sind wir also endlich auch bei einem ‚früher war alles bess­er‚ ange­langt?“  Wur­den die VHS-Kas­set­ten nicht ständig vom Recorder gefressen und war die Warterei vor der  Tele­fonzelle wirk­lich die Erfül­lung des Daseins? Aber die Schweiz ist Klasse für ne Auszeit (auss­er man ist Bär in Bern), Kyritz und Müritz bes­timmt auch. Und Web 2.0 bleibt für mich ein über­stra­paziert­er Hype, auch wenns darunter einige blühende Leucht­turm­land­schaften wie die Börde­be­hörde gibt 😉

  5. Die Schelte für „früher war alles bess­er“ hab ich eigentlich schon früher (sic!) erwartet. Schön, daß sich jemand traut. Ja, ich nähere mich langsam einem gewis­sen Altersstarrsinn und schaue mit verk­lärtem Blick aus dem ober­sten Fen­ster mein­er Alzheimer-Res­i­denz… Es ver­hält sich wie mit einem tem­porären Rück­en­lei­den — das gibt sich wieder. 😉

    Der blühende Leucht­turm-Ber aus Bärn

  6. Wert­er Herr Torsten,
    ver­rat­en Sie mir bitte ( sofern Sie es ver­rat­en kön­nen, wir kön­nen auch einen Code vere­in­baren, ein Blinkze­ichen, ein Yes-Torty im Briefkas­ten.…) ähm, also ver­rat­en Sie mir bitte:
    Wer sind „SIE“ ?
    Ver­ste­hen Sie meine Not, seid Jahren schon plagt mich die Ahnung, dass da draußen im All mehr sein kön­nte, als z.B. jede Menge Wel­traum­schrott,  aber nach­dem nun gestern auch noch mein selb­st­gemacht­es Kartof­felpür­ree in eine äusserst schleimige Kon­sis­tenz mutierte, sich wed­er durch würzen noch wär­men davon abhal­ten liess, zäh­flüs­sig über den Rand des Tellers zu schwap­pen und immer wieder zu blubben anf­ing, ja, da überkam mich die Ahnung, dass dies mehr Hin­ter­gründe haben könne, als nur die nicht pür­ree-tauglichen Eigen­schaften von fes­tkochen­den Kartoffeln.
    Also Herr Torsten, wenn Sie ein ver­schlüs­seltes Zeichen geben kön­nen, dann ver­rat­en Sie mir diskret, wer „SIE“ sind. Sie ver­ste­hen, meine Irri­ta­tion in der heuti­gen Zeit, früher hat­ten die Aliens noch anständi­ge Reis­szähne- und lediglich der Spinat hat geblubbt !

  7. Hm, zer­man­schter Kartof­fel­brei, das klingt ganz nach IHNEN. Hat­ten Sie, verehrte Frau Gno­morel­la, in let­zter Zeit Post aus Biele­feld? Begeg­net Ihnen in let­zter Zeit häu­figer die Zahl 23? Schwindel, Kopf­schmerz, der Käse im Kühlschrank vergam­melt? Hmm­mm, dann sind SIE jet­zt ver­mut­lich auch hin­ter Ihnen her. Das schre­it nach einem aus­führlichen Essay. Bald.

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