Reisebericht: Morrissey live in Berlin

It’s time the tale were told…

… of how we took our Volk­swa­gen und uns auf den Weg macht­en. Kurz­er Abstech­er ins Bran­den­burg­er Land, wo Ver­trauen­skassen am Straßen­rand auf sol­vente Erd­beerkun­den warten. Keine Erd­beerkun­den, son­dern leck­er Erd­beerkuchen (mit frisch­er Sahne!) wurde uns dann von einem Drit­tel der Pep­pone-Besatzung kre­den­zt. Aus pur­er Dankbarkeit nah­men wir den jun­gen Erd­beerkuchen­bäck­er und eine weit­ere Pots­damer Nacht­gestalt mit nach Berlin.

Näm­lich in Rich­tung Columbi­a­halle, um dem Meis­ter die gebührende Ehre zu erweisen. Mor­ris­sey gab sich die sel­bige, mein zweites Mor­ris­sey-Konz­ert nach 2006, damals in der Berlin­er Are­na. Nach erfol­gre­ich­er Park­platz­suche (ich sag ja, ich kenn mich eben aus! ;-)) standen wir auch prompt vor der Halle.

Der Secu­ri­ty-Men­sch am Ein­laß sollte sich bei „Wet­ten, daß…“ bewer­ben, da er in der Lage ist, durch bloßes Abtas­ten mein­er Taschen meine Fahrzeug­marke zu bes­tim­men. Respekt für diese Leis­tung und Dank für eine ins­ge­samt sehr entspan­nte und fre­undliche Secu­ri­ty. Nach der Ver­sorgung mit Getränken auf zum Mer­chan­dise-Stand. 30 EUR für ein T‑Shirt, 10 EUR für eine 7‑Inch-Sin­gle, 4 EUR für einen (hof­fentlich wet­ter­festen!) Aufk­le­ber. Junge Junge, Preise wie im West­en, wie man früher immer so schön sagte. Mer­chan­dise also bis auf die Aufk­le­ber ver­weigert und weit­er zum Leute guck­en: Angenehmes Pub­likum, Durch­schnittsalter geschätzte 33 Jahre, klas­sis­ches Indie-Pub­likum. Einige Moz-Looka­likes, ein­er davon sah dem Meis­ter beina­he zum Ver­wech­seln ähn­lich. I walked a pace behind you at the sound­check. You’re just the same as I am. Respekt für die Frisur und Hochachtung für die Jahreskosten an Pomade!

Dann Doll & the Kicks — die Vor­band. Ganz net­ter Indie­rock mit Frau am Mikro. Gut anzuhören, nicht weit­er hän­genge­blieben. Im Ver­gle­ich zu Kris­teen Young, welche das Vor­pro­gramm im Jahre 2006 bestritt, jedoch angenehm anzuhören. Ich hab schlim­meres erwartet.

Anschließend Umbau­pause samt der oblig­a­torischen Kurz­film-Arie, die bere­its auch 2006 die Pause über­brück­te. Obskure Grand Prix-Beiträge aus den 60ern, Videos der New York Dolls und schlußendlich — Bang Bang! — fiel der Vorhang. Enthu­si­astis­ch­er Jubel allerorten, als Mor­ris­sey samt Band die Bühne betrat. Und los ging’s auch schon mit This Charm­ing Man. Ein wenig gewöh­nungs­bedürftig, einen der alten Smiths-Songs im neuen Rock­ge­wand zu hören. Die Mei­n­un­gen im Fan­lager sind ges­pal­ten: Darf (soll?, kann?) man diesen alten Klas­sik­er der­maßen durch den Rock­wolf drehen? Ich finde, live kann man das tun, ziehe allerd­ings im Zweifels­fall die Orig­i­nalver­sion aus der Kon­serve vor.

Danach ging’s dann ganz Rock­a­bil­ly-like mit Bil­ly Budd vom Vaux­hall and I-Album weit­er. Es fol­gte Black Cloud, der erste Song vom let­ztjähri­gen Years of Refusal, gle­ich anschließend ohne jede Pause der Smiths-Klas­sik­er Ask. Auf­fal­l­end während dieser ersten vier Tracks: Große Teile des Pub­likums san­gen — ins­beson­dere bei den bei­den Smiths-Songs — den kom­plet­ten Text lau­thals mit. Was im ersten Moment für ein schönes Gänse­haut-Feel­ing sorgte, im weit­eren Ver­lauf des Abends jedoch ein wenig nervig war. Weil näm­lich das Pub­likum an meinem Stan­dort rechts vor der Bühne deut­lich­er zu hören war, als der Meis­ter selb­st. Die Dep­pen­dichte im Pub­likum war ins­ge­samt gese­hen zwar rel­a­tiv niedrig, lei­der jedoch hat­te ich ein kleines Stand­prob­lem: Links von mir ein Typ, der sich brachial den Blick nach vorn frei­hielt (er drängte die Vorste­hen­den ein­fach mit den Armen auseinan­der) und rechts von mir zwei stark angetrunk­ene Gestal­ten, die alle Texte mit­gröhlten und sich auch für diese eine bes­timmte schwank­ende Arm­be­we­gung (rhyth­misch von links nach rechts — wie in diesen däm­lichen Oliv­er Geis­sen-Musik­shows auf RTgLotzdich­blöd) nicht zu schade waren. Diese drei Nasen, und die ständi­gen Bier­holer die sich durchs Pub­likum drängten (kön­nt ihr nicht vorher saufen, oder gle­ich aus­re­ichend Bier kaufen?!), waren somit meine drei Haupt­gründe, mich nach zwei Drit­teln des Konz­ertes weit­er nach hin­ten zu ver­drück­en. Vorher jedoch ging’s erst­mal mit When last I spoke to Car­ol und How can any­body pos­si­bly know how I feel? weit­er. Zwei famose Songs, let­zter­er jedoch hat mich live über­haupt nicht überzeugt. Der Sound war zwar ganz ordentlich, allerd­ings auch recht brei­ig. Wahrschein­lich lag’s daran.

How soon is now? war der näch­ste Song. Der hat mir 2006 live bess­er gefall­en, vielle­icht war ich aber auch nur ent­täuscht, weil ich die Insze­nierung (der Meis­ter wälzt sich am Boden und am Ende schlägt der Drum­mer den Riesen­gong) schon kan­nte. Es fol­gte der näch­ste Hit­block, wobei eigentlich fast alle Songs des Abends Hits sind: I’m throw­ing my arms around Paris, The world is full of crash­ing bores und Girl­friend in a coma. Keine nen­nenswerten Zwis­chen­fälle, alles ganz ordentlich run­terg­e­rockt, vielle­icht mit ein­er zu großen Beto­nung auf „Rock“, aber dazu am Ende mehr.

Sehr gut gefall­en haben mir die näch­sten drei Songs Why don’t you find out for your­self?, Sea­sick, yet still docked und Some girls are big­ger than oth­ers. Beson­ders über die Big­ger Girls habe ich mich gefreut, ein­er der besten Smiths-Songs ever.

Anschließend One day good­bye will be farewell. Fand ich schon auf dem Album nicht beson­ders berauschend, hat mich somit auch live nicht wirk­lich überzeu­gen kön­nen. Verzicht­bar­er Song, so ehrlich sollte man bei allem Fan­tum schon sein. I keep mine hid­den im Anschluß eben­so verzicht­bar. Warum Mor­ris­sey diese alte Smiths-B-Seite aus­ge­graben hat — keine Ahnung.

Bei Irish Blood, Eng­lish Heart ging’s dann nochmal richtig ab, der ganze Saal am jubeln, mitsin­gen und feiern. Very schön! Let me kiss you sorgte gle­ich danach für einen besinnlichen Moment, bevor mit The Loop nochmal die Rock­a­bil­ly-Bull­dogge von der Leine gelassen wurde. Schön, daß die Band bei diesem Song mal so richtig Gele­gen­heit hat­te, ihr Kön­nen zu demon­stri­eren. Famos!

Abschließend I’m OK by myself, der lei­der nicht genü­gend goutiert wurde. Für mich ein­er der besten Mor­ris­sey-Songs aller Zeit­en, ging live lei­der etwas unter.

Es fol­gte der oblig­a­torische Abschlußjubel, der allerd­ings auch schon mal frenetis­ch­er aus­fiel. Wahrschein­lich hat­ten sich große Teile des Pub­likums bere­its völ­lig ver­aus­gabt. Den­noch ließ sich der Meis­ter zu ein­er Zugabe hin­reißen, First of the Gang to die stand auf dem Programm.

Was Mor­ris­sey bewogen hat, den guten alten Hec­tor so der­maßen durch den Rock­wolf zu drehen, wird mir wohl auf ewig ein Rät­sel bleiben. Im Zusam­men­hang betra­chtet, drängte sich mir der Ein­druck auf, der große alte Mann war froh, daß das Konz­ert endlich vor­bei war. Eine Spielzeit von 75 Minuten, kaum Ansagen zwis­chen den Songs und zum Abschluß das — Verzei­hung! — hingerotzte First of the Gang to die. Ehe alles begonnen hat, war es auch schon wieder vorbei.

Vie­len Dank an die bei­den jun­gen Damen aus Halle/Saale, die nach Ende des Konz­erts draußen zufäl­lig neben mir standen und die zerknüllte Setlist ent­knorkel­ten. Nett von euch, daß ich ein Foto machen durfte. Das ich eure Herkun­ft am Dialekt erkan­nt habe tut mir nicht leid, war aber auch nicht böse gemeint. Der Machte­bur­jer Slang klingt auch nicht schön. 😉

Anson­sten: eine erfol­gre­iche Bühne­nen­terung ein­er jun­gen Dame, eine fast erfol­gre­iche eines jun­gen Her­ren. Keine Morrissey-Chöre.

Die Rück­fahrt ange­treten, den Erd­beerkuchen-Bäck­er samt Nacht­gestalt wieder wohlbe­hal­ten im Bran­den­burg­er Land abge­set­zt. Noch ein Kaf­fee auf den Weg und dann mit Voll­gas in Rich­tung Heimat. Ein näch­stes Mal wird’s wohl nicht geben. Wenn ich die Zeichen richtig deute, wird Years of Refusal das let­zte Mor­ris­sey-Album bleiben und somit war die Tour wohl auch die let­zte. Nicht der schlecht­este Abschluß, irgend­wann sollte man ja sowieso aufhören. Warum also nicht, wenn’s am schön­sten war?!

In steter Hoff­nung, daß dieser Punkt noch nicht über­schrit­ten wurde

verbleibt
Ihr Herr Amtsvorsteher

Boot­leg-Down­load:
Mor­ris­sey, Berlin, Columbi­a­halle, 12. Juni 2009

Und das sagen die anderen: (wird laufend ergänzt)
Track­tate — Das Gefühl von gutaufgehoben
Schor­leblog — Mor­ris­sey in Berlin
Der Tagesspiegel — Mor­ris­sey: Lasst euch küssen!
Welt Online — Mor­ris­sey will ein­fach nicht geliebt werden
Frank­furter All­ge­meine Zeitung — Der Gladiolator
Märkische All­ge­meine Zeitung — Eine Ikone glänzt
Berlin­er Zeitung — Manche Mäd­chen sind größer als andere


1 Kommentar zu „Reisebericht: Morrissey live in Berlin“

  1. Danke, dass Du die Rück­fahrt nicht weit­er erwähnst .…
    Ich fand das Konz­ert groß, obwohl ich über die Songauswahl doch nochmal nachgedacht hätte, an SEINER Stelle…Egal, zum zweit­en Mal, wenn es das let­zte war.…Wir waren da, und das ist gut so! Schön!
    Bruce, den Torten­bo­den kriegst Du aber auch allein hin, glaub mir. Kann ich Dir beibringen.…

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