„MTV get off the air“ sang Jello Biafra einst. Sein Wunsch hat sich über die Jahre erledigt, bzw. selbst überholt. MTV streicht in Zuge eines radikalen Sparprogramms den letzten Rest redaktioneller Beiträge aus dem Programm und wird in Zukunft wohl ausschließlich aus Soaps, Klingeltonwerbung und gelegentlich eingestreuten Musikvideos bestehen. Das diese Zukunft eine besonders dauerhafte sein wird, muß bezweifelt werden.
Stand MTV einst für Relevanz, Stilbildung und gelegentlich sogar für Rebellion, ist der Sender in den letzten Jahren zusehens zur Dauerwerbesendung verkommen. Innovative Formate wie „MTVs Most Wanted“ oder „120 Minutes“ sind schon länger in der Versenkung verschwunden und mit den „MTV News“ und „MTV Masters“ folgen nun die letzten beiden noch ansehbaren Programmteile. Ray Cokes und Paul King sind schon längst in der Versenkung verschwunden, und mal ehrlich: Kann mir jemand aus dem Stegreif einen MTV-Moderator außer Herrn Kavka nennen? Eben.
Immerhin bleibt eine gute Nachricht: Zeitgleich mit der Radikalverknappung des Fernsehprogramms hoben die Verantwortlichen den Webdienst MTV Music aus der Taufe, ein umfangreiches Videoportal mit großer Auswahl und in guter Bildqualität.
Auf Wiedersehen, Musikfernsehen.
Ich bin in Trauer ob des Sterbens von Fernsehen, Büchern und CDs und Zeitungen. Traurig weil es scheint als ubernähme dieses kalte Gerät vor dem ich gerade sitze mit dem Anschluss in die Welt bald die Herrschaft über unseren gesamten Alltag und unser soziales Leben.
Also gedenke ich den Zeiten, als man Briefe schrieb, Zeitungsabos hatte, gespannt auf die neue CD der Lieblingsband wartete, zum einkaufen noch raus musste, Konzertkarten am Schalter kaufte und telefoniert wurde anstatt zu chatten…das musste jetzt mal sein.
Alles halb so wild. Große Teile des Fernsehens müssen sich über ihr Sterben nun wirklich nicht wundern, Reich-Ranicki hat vollkommen recht. Bücher werden ewig leben und auf neue CDs freue ich mich gelegentlich immer noch. Ich habe eine Tageszeitung im (Wochenend only)-Abo, denke darüber nach, die Neon zu abonnieren und schreibe gelegentlich Postkarten. Zum einkaufen muß ich immer noch raus, weil kein verdammter Lieferdienst in die Pampa liefert. 😉 Konzertkarten für regionale Konzerte kaufe ich immer noch an der Abendkasse. Telefoniert hab ich noch nie besonders viel, gechattet allerdings auch nicht. Alles fein! 😆
Es stellt sich die prinzipielle Frage, ob sich MTV mit diesen Pimp My Ride und ähnlichen Formaten nicht ins eigene Knie geschossen hat. Anscheinend kommt kein Sender mehr ohne Reality-Formate und Soaps aus. Wenn diese jedoch auch das „Musikfernsehen“ dominieren, dann verliert selbiges seine ureigenste Bestimmung. Wenn Werbung dann auch noch lediglich aus penetrantem Klingelton-Abo-Wahnsinn besteht, dann werden damit seriösere Werbekunden abgeschreckt. Eigentlich könnte jeder Fritz Meier oder Hans Müller mit gesundem Hausverstand auch MTV Deutschland wieder als trendige, interessante Marke etablieren. Aber anscheinend will dies MTV gar nicht. Vielleicht will man als Kinder- bzw. Unterschichtenfernsehen sein Dasein weiterfristen. Und der Internet-Zug ist wohl schon abgefahren, da offerieren Platzhirsche wie YouTube doch mehr.