Legs McNeil, Gillian McCain, Esther Breger und Udo Breger
“ Please Kill Me!
Die unzensierte Geschichte des Punk“
Klappentext:
Dieses Buch erzählt die ereignisreiche Geschichte des amerikanischen Punk. Da die Verfasser ausschließlich Aussagen von Zeitzeugen verwendet haben, liest sich das Buch wie ein Roman. In chronologischer Reihenfolge fügt sich nahtlos Zitat an Zitat, als säßen die Interviewten in einer großen Runde beisammen, um sich mit dem Erzählen abzuwechseln. Was die Musikrebellen wollten, war Authentizität, keine Märchenstunde. Die Anekdoten und Erinnerungen von Leuten wie Patti Smith und Dee Dee Ramone bilden ein schillerndes Kaleidoskop, jenen Teil amerikanischer Musikgeschichte betreffend, der in den Sechzigern seinen Anfang nahm, als Velvet Underground in Warhols Factory-Umfeld erste Konzerterfahrungen sammelten. Es folgen Stories über die New York Dolls, Ramones, Blondie etc. Ein amüsantes und informatives Lesevergnügen, das zudem wieder enorm Lust macht, seine alten Platten aufzulegen.
Pressestimmen:
„Wie es angefangen hat und wo, können selbst die nicht erklären, die dabei gewesen sind. McNeil/McCain heben mit dem Moment an, da Andy Warhol auf eine Gruppe namens The Velvet Underground aufmerksam wird und glaubt, sie in seinen New Yorker Kunst-Zirkus integrieren zu können. Aus der Verschmelzung von Pop Art und Rock’n’Roll geht ein neuer Lebensstil hervor, ein düsterer Klang-Existenzialismus.“ (Kai Müller im Tagesspiegel vom 24.03.2004)
„Legs McNeil kann für sich beanspruchen, den Begriff Punk zwar nicht erfunden zu erhaben (dieses Verdienst gehört vermutlich Lester Bangs). Doch hat er ihn gewissermassen institutionalisiert, als er 1975 mit dem Grafiker John Holmstrom das Magazin »Punk« gründete. »Please Kill Me« skizziert das amerikanische Vorbild des Genres, nicht das britische Phänomen Punk, für dessen Beginn die Sex Pistols stehen.“ (Markus Schneider in der Berliner Zeitung vom 23.08.2004)
Wer das Buch kennt, wird vielleicht verstehen können, daß ich mich bei der Lektüre am liebsten kopfüber mittenrein in diese kaputte, laute, schrille Zeit gebeamt hätte. Natürlich unsichtbar – denn ich hätte weder den üblichen Drogenkonsum noch die Machoallüren der „Stars“ verkraftet.
Aber mit Tarnkappe im Lower Manhattan Ocean Club? Klar doch!
Zwischen Iggy Pop und David Bowie sitzen, während Patti Smith verkleidet wie die kleine wütende Schwester von Keith Richards düsteren Schmerz verbreitet. Da vorn steht Nancy Spungen und redet aufgeregt auf einen genervt blickenden Typen ein. Hm, sieht aus wie Tom Verlaine. Durch die Menge schiebt sich eine blonde, nicht mehr ganz junge Frau, sieht sich wirr und nervös um. Nico auf der Suche nach dem nächsten Schuß und der verlorenen Jugend…Was ist da vorn los? Ah ja, die Warhol-Clique gibt sich die Ehre. Der immer irgendwie gelangweilt wirkende Egomane inmitten seiner transzendalen, transsexuellen Meute und Brigid Berlin hat zwischen den Zähnen eine kleine Spritze, die wie eine Zigarette auf und ab wippt. Spot an! Zwischen dem Wahnsinn eine unübersichtliche Rotte männlicher und weiblicher Groupies, die wie Glitzerflittersternchen der Szene den notwendigen Glanz verleihen.
Und wenn jetzt noch Johnny Thunders reinkommt, DeeDee ein Bier ausgibt und Sable Starr vom Hocker fällt…dann will ich verdammt noch mal auch eine von diesen bunten Pillen, die Nancy verteilt. Und ich will genauso orientierungslos und zugedröhnt durch die Zeit taumeln. Ohne wirklichen Plan, aber immer erstmal dagegen! YEAH!
Sind Klischees nicht etwas Wunderbares? Die Realität zwischen den Kapiteln machte wahrscheinlich nicht mal halb soviel Spaß. Und wie fast immer dokumentieren die „Randfiguren“ wie Manager, Promoter und „gute Freunde“ mit Vorliebe ihre Sicht der Dinge und weisen dezent darauf hin, nicht nur dabei, sondern mittendrin gewesen zu sein.
Trotzdem liest sich dieses Buch weg wie nix – was zum Teil an genetisch vorprogrammiertem Voyeurismus liegen mag, denn all die Exzesse, Peinlichkeiten, szeneinternen Verbandelungen und ein hoher Lästerfaktor machen fast 50 % des Lesestoffes aus. Sehr unterhaltsam, manchmal unfreiwillig komisch, manchmal zum heulen traurig. Aber doch immer über BUNTE-Niveau 😉
Einige nicht unerhebliche Nebenwirkung waren nicht nur die Lust, alte Platten wieder aufzulegen, im Web nach Raritäten zu suchen und sich durch Bandbiographien zu kämpfen, sondern auch in sinn- und endlose Diskussionen zu geraten, die der Frage „Wer hat’s erfunden?“ galten.
Ich weiß nicht, ob „Please kill me“ wirklich die „unzensierte Geschichte des Punk“ wiedergibt. Ob die Amis den Punk als Witz erfunden und die Engländer daraus eine bis heute überlebende eigene Legende geschaffen haben – darüber mögen andere urteilen. Mir persönlich ist das völlig egal. Die Musik jedoch ist mir überhaupt nicht egal.
Immer noch Hammer, immer noch meins.
Mir ist der Ursprung nicht egal. 😉 Zugegebenermaßen waren es wohl wirklich die Amis, auch wenn ich die Engländer lieber als Erfinder gehabt hätte. Deswegen ziehe ich wohl auch den englischen Punk bis heute vor.
Die Gedanken sind frei!
Ich erinnere mich gut und gern an unsere nächtelangen Diskussionen über Musiktheorien, Urheberrechte und bauchgefühlgesteuerte Hit-Listen…macht nix, wir werden niemals einer Meinung sein 😈 😆
(Und da sind sie wieder, meine drei Probleme…kein richtiger Punk, kein richtiger Hippi und keine Ahnung, wo ich hingehör…bleib ich also eine verpunkte Hippi-Grungerella mit irischen Wurzeln!)
zora
ich denke, in den USA hat das anfang der 70er den namen „punk“ bekommen, was als kunst- später musik- und lebensverständnis schon seit den 50ern existierte, und zwar nicht nur in den USA. wir können auch bis in die 1920er zurückgehen — dadaismus usw. in england hat es dann einen gewissen schliff bekommen, dank bereits 1977 geschickter vermarktung. ich hab vor 1 oder 2 jahren mal einen blick in das englischsprachige original geworfen und fast gekauft. jetzt ist die übersetzung da hurra, weihnachten!
Und wenn das ganze einfach nur Spass war? Was, wenn Punk jeglicher Analyse überflüssig, sich jeglicher Grundlage entziehend, jegliche Wurzel negierend einfach nur Spaß am laut und verrückt und daneben und dreckig und scheißegal ist?
ja … nein… doch .…vielleicht .… nein eher nicht.… das was du beschreibst ist schon richtig aber selbst das ist ja schon Kultur- und Gesellschaftskritik. außerdem analysiere ich gern mal.
Das sollst du auch und darfst du auch und mußt du auch — die sogenannte intellektuelle Welt ist gähnend langweilig genug, tolerant genug und überhaupt übersättigt von wohlwollender Akzeptanz… 😆
Ich mag Leute mit Standpunkt und analytischen Fähigkeiten 😯
zora